ADFC-Interview mit Berîvan Aymaz, Grüne
Berîvan Aymaz will Köln bis 2035 klimaneutral machen, 2.000 Bäume pflanzen und die Mobilitätswende vorantreiben. Sie setzt auf sicheren Rad- und Fußverkehr, Bürgerbeteiligung, Umsetzung bestehender Konzepte und kluge Priorisierung von Investitionen.
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Christoph Schmidt (ADFC): Frau Aymaz, herzlich Willkommen im ADFC. Wir haben sie als Kandidatin für das Oberbürgermeisterinnenamt eingeladen und wir würden uns zuerst mal wünschen, dass sie ihre Vorstellungen für die Kölner Verkehrspolitik so im Allgemeinen Mal skizzieren. Aber auch im besonderen Hinblick auf den Klimaschutz.
Berîvan Aymaz: Vielen Dank für die Möglichkeit. Also erstens ist klar für mich, ich möchte als Oberbürgermeisterin an dem ambitionierten Ziel Köln bis 2035 auch klimaneutral zu machen, festhalten. Gerade an so heißen Tagen wie heute merken wir auch, dass es zum einen um die Klimaneutralität gehen muss, zum anderen auch darum gehen muss, Klimaanpassung voranzubringen. Wir brauchen viel mehr schattige Räume. Daher will ich 2000 Bäume in die Stadt setzen. Auf dem Weg hin zur Klimaneutralität kommt es ja ganz besonders auch auf die Mobilitätswende an, dass wir darauf angewiesen sind, dass immer mehr Menschen von Auto wegkommen, hin zur ÖPNV, Radverkehr und natürlich aber auch zum Fußverkehr. Das sind meine ganz klaren Ziele. In dem Kontext glaube ich an eine klimaneutrale Stadt Köln 2035 und dann noch die Fahrradhauptstadt, das ist meine Vision.
Schmidt: Das Thema Klimaschutz ist ja auch ein Kostenfaktor weil wir natürlich Stellen dafür schaffen müssen. Wo kriegen wir das Geld her?
Aymaz: Ja, wir müssen tatsächlich in vielen Bereichen auch an Gelder rankommen. Zum einen ist es ganz wichtig mit dem, was wir haben an Mitteln wirklich klug umzugehen. Das heißt, Prioritäten zu setzen bei Investitionen. Das bedeutet für mich, dass zum Beispiel der Tunnelbau, für den sich ja der Rat kürzlich entschieden hat, nicht in Frage kommt. Auch wenn dieser förderfähig sein sollte. Denn es wird auch wenn wir dafür Bundes und Landesmittel kriegen sollten, auch uns als Kommune sehr viel kosten.
Schmidt: Jetzt haben Sie ihre politischen Vorstellungen und Ziele umrissen. Jetzt die Frage, wie kommen wir da hin? Welche Maßnahmen machen sie? Wie führt man Verwaltung, um das zu erreichen?
Aymaz: Ganz wichtig ist vor allen Dingen, und das sage ich als langjährige, erfahrene Politikerin ganz deutlich, dass wir in dieser Transformationsphase, in der wir uns befinden die Menschen mitnehmen müssen. Dazu gehört halt vor allen Dingen eine gute Kommunikation. Die Empfindlichkeiten frühzeitig wahrzunehmen und frühzeitig auch Menschen an den Prozessen zu beteiligen, damit sie auch mit den Entscheidungen gut umgehen können und auch selber Planungssicherheit haben. Das wird sehr, sehr wichtig sein.
Es wird aber auch darauf ankommen, an den entsprechenden Stellen, Planer:innen noch mal einzusetzen, um vor allen Dingen die Planung hinzu einer Fahrradhauptstadt und zu einer Stadt, in der sich auch Menschen zu Fuß wirklich sicher und gut bewegen können, zu entwickeln.
Schmidt: Wie kriegen wir die Mehrheiten für die Themen?
Aymaz: Ja, dafür muss dann eine Oberbürgermeisterin kämpfen. Das ist auch der Grund, warum ich als Politikerin ganz bewusst in dieser sehr schwierigen, herausfordernden Zeit aus unterschiedlichen Perspektiven…
Schwierig zum einen tatsächlich knapper Haushalt, zum anderen aber auch die Stimmungslage, die politische Stimmungslage in der Transformation. Auf der einen Seite entwickeln sich neue Sachen, wir sind in einer Veränderung, und dagegen gibt es auch immer Widerstand, das ist die Natur der Sache, und da braucht es Menschen, die eine klare Vorstellung haben und Mut mitbringen, Entscheidungen zu treffen und dann auch dafür Mehrheiten gewinnen. Ich selbst habe die erste schwarz grüne Landesregierung mit sondiert und auch auf den Weg gebracht und das sage ich nicht, weil ich glaube, dass diese Farbenkonstellation die beste ist, sondern das sage ich, weil diese Farbenkonstellation die schwierigste ist. Um deutlich zu machen, genau diese Erfahrung, also andere Akteure mit ins Boot zu holen, sie für Konzepte zu gewinnen, für Planung zu gewinnen, das wird entscheidend sein. Und dafür stehe ich als Oberbürgermeisterin.
Schmidt: Wie unterscheidet sich ihr Programm von dem ihrer Vorgängerin? Was lief gut? Was lief schlecht? Wo setzen sie auch andere Akzente?
Aymaz: Also ich höre vor allen Dingen von Menschen, die nach Köln reisen – von Freundinnen und Freunden aus dem Ausland, die hier hinkommen – die sagen: „Wow, Köln hat sich in den letzten zehn Jahren wirklich gewandelt.“ Die sehen schon, dass gerade auch im Bereich Radverkehr sich sehr, sehr viel getan hat und das ist zu sehen und zu spüren.
Ich glaube, dass das vor allen Dingen unserer Oberbürgermeisterin, Henriette Reker, da Pionierarbeit geleistet hat. Gemeinsam mit meiner Partei, mit Bündnis 90 / Die Grünen. Dass sie da die ersten Schritte eingeleitet hat. Es sind zahlreiche Konzepte, vor allen Dingen erarbeitet worden, die gut sind, die ich mir übrigens aber auch noch mal ganz genau anschauen werde. Jetzt wird es darum gehen all das, was geleistet worden ist aus der als Pionierarbeit herauszuholen, und diese Konzepte tatsächlich aber auch umzusetzen.
Schmidt: Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Innenstadt und den Außenbezirken. In der Innenstadt ist echt viel passiert, das muss man anerkennen. Aber man hat oft den Eindruck, dass der Verwaltung die anderen acht Bezirke unbekannt sind. Da ist die Frage eben, wie kriegen wir die Außenbezirke auch bei dem Radverkehr weiter? Brauchen wir dann mehr Konzepte oder mehr Umsetzung? Woran liegt es also?
Aymaz: Ich bin ja ein Kind des Rechtsrheinischen. Ich komme aus dem Rechtsrheinischen und ich weiß, dass da in bestimmten Bereichen Welten an Unterschied sind. Letztens hat mich in Brück auf dem Marktplatz eine Dame angesprochen, die gesagt hat sie würde gerne mit ihrem Kind eigentlich viel häufiger in die Innenstadt fahren, aber sie weiß gar nicht, welche Strecke mit ihrem Kind nehmen kann.
Es geht also auch darum, Sicherheit für Familien, für Kinder auch mitzugeben. Daran müssen wir noch viel, viel mehr arbeiten. Das heißt, dass wir durchgängige Radwege brauchen, die es halt möglich machen, auch über die Brücken hinweg gemeinsam mit Kind oder auch Großmutter und Großvater sicher auf dem Fahrrad zu fahren und auch rüberzukommen.
Schmidt: Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation des Radverkehrs in Köln? Was sind aus Ihrer Sicht so die größten Probleme? Und wie wollen Sie damit umgehen?
Aymaz: Ich glaube, dass tatsächlich sehr, sehr viel erreicht worden ist in den letzten zehn Jahren. Und ich glaube, dass es wichtig ist, nicht alles schwarz und weiß zu sehen. Aber wir haben immer noch viel Nachholbedarf. Vor allen Dingen brauchen wir Sicherheit. Viele Menschen fühlen sich immer noch nicht sicher, wenn sie mit dem Fahrrad unterwegs sind. Vor allen Dingen, wenn sie mit ihren Kindern unterwegs sind. Diese Sicherheit muss gewährleistet werden. Wir haben immer noch Radwege, die sanierungsbedürftig sind. Die Sanierungen, müssen schleunigst umgesetzt werden und dafür brauchen wir Mittel. Das ist Infrastruktur. Da sage ich ganz klar: ich bin sehr, sehr dankbar, dass meine Parteikollegin aus Köln, Katharina Dröge, es geschafft hat in Berlin wirklich heftig dafür zu kämpfen, dass das Sondervermögen nicht zu einer, ja Mogelpackung wird, sondern auch die Mittel von 500 Milliarden sehr wohl den Kommunen zugutekommen. Es wird die Aufgabe sein, auch dafür zu sorgen, dass diese Mittel für die Infrastruktur – das bedeutet auch gute ausgebaute Radwege, Sanierung – hier ankommen und auch umgesetzt werden können.
Schmidt: Zum Schluss haben Sie jetzt noch die Gelegenheit zur schamlosen Selbstvermarktung: Warum sind sie die richtige Oberbürgermeisterin für Köln? Und zwar insbesondere für die Menschen, die gerne Rad fahren?
Aymaz: Wie ich es eben auch schon gesagt hatte. Wir befinden uns in einer Transformationsphase und das ist einer der schwierigsten Momente in einer Gesellschaft, weil sich da Widerstände sich auftun. Und weil natürlich auch in den Fragen, wo es um die Neuaufteilung des öffentlichen Raumes ja auch geht, Konflikte entstehen. Da braucht es eine Person an der Spitze der Stadt, die zum einen natürlich als Kind dieser Stadt – ich lebe seit 45 Jahren hier – ein Gefühl für die Menschen hat. Die auch ein Gefühl für beide Seiten des Rheins dieser Stadt hat. Das bringe ich mit. Zum anderen bringe ich aber, und das ist der zentrale Punkt, langjährige politische Führungserfahrung mit. Ich weiß, was es bedeutet, Gegenwind zu bekommen. Ich weiß damit umzugehen, das auszuhalten. Da klar zu sein, verlässlich zu bleiben in meinen Versprechungen. Und ich weiß, dass es darum gehen wird, ganz viel im Austausch mit Menschen und auch mit anderen demokratischen Fraktionen zu bleiben und für Mehrheiten zu kämpfen.
Schmidt: Vielen Dank für das Gespräch.
Aymaz: Ich danke.
Wählen gehen am 14. September!
Bei der Kölner Kommunalwahl werden am 14. September 2025 der Stadtrat und die neun Bezirksvertretungen neu gewählt. Dort fallen auch alle Entscheidungen über die Kölner Radverkehrsinfrastruktur. Außerdem wählen wir an dem Tag ein neues Stadtoberhaupt. Hier ist allerdings eine Stichwahl am 28. September zu erwarten. Schon jetzt könnt ihr Briefwahlunterlagen beantragen oder vor Ort die Direktwahl machen.