ADFC-Interview mit Heiner Kockerbeck, Die Linke
Heiner Kockerbeck will den Tunnelbau stoppen, den ÖPNV oberirdisch massiv ausbauen und sichere, durchgängige Radnetze schaffen. Die Finanzierung soll unter anderem über eine höhere Gewerbesteuer erfolgen.
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Christoph Schmidt (ADFC): Herzlich Willkommen, Herr Kockerbeck. Sie sind Oberbürgermeister-Kandidat für die Partei Die Linke und wir laden sie heute ein, so ihre radverkehrspolitischen Vorstellungen mal darzustellen, hier im ADFC. Gleich als Einstiegsfrage: Skizzieren sie doch mal bitte Ihre Vorstellungen für die Kölner Verkehrspolitik als Ganzes.
Heiner Kockerbeck: Ja, also Verkehrspolitik hat für mich eine ökologische Seite, wir brauchen eine Verkehrswende, um wegzukommen vom Autoverkehr, vom Verbrennerverkehr, insgesamt. Aber auch stark vom motorisierten Individualverkehr. Und wir müssen hinkommen zu den umweltfreundlichen Verkehrsarten Fußverkehr, Radverkehr und Bus und Bahn, also zu öffentlichem Personennahverkehr. Das letztere ist die das Rückgrat der Verkehrswende. Das sagt ja auch die Stadt Köln, das sehe ich genauso. Der Verkehrsdezernent Eggerer sieht das auch so. Aber der Radverkehr hat auch eine hohe Bedeutung, und das ist bisher noch nicht ganz gelungen, das zum Platzen zu bringen. Das Potenzial, das darin steckt, um Autoverkehr unnötig zu machen.
Schmidt: Wenn wir jetzt an die Klimaziele von Köln denken – wir wollen 2035 klimaneutral werden – da sehe ich so ein Bisschen meine Probleme , dass der Ausbau des ÖPNV bis 2035 ausreicht. Müssen wir nicht eigentlich jetzt auch mehr Gas geben beim Radverkehr, noch viel mehr als beim ÖPNV?
Kockerbeck: Ja, also der die Verkehrswende hat auch eine soziale Seite. Wir müssen es vielen Menschen ermöglichen, Mobilitätsbedürfnisse wahrzunehmen, die müssen aber preiswert sein. Es ist ein Unding, dass die Fahrpreise immer weiter steigen, obwohl alle in Reden am Sonntag dann von Verkehrswende sprechen. Das Torpediert die Verkehrswende. Und das Gleiche sehe ich auch beim Ausbau des ÖPNV. Da ist einfach bisher aus Kostengründen vieles nichtgeschehen. Und ich möchte schon einen massiven Ausbau des ÖPNV in Köln in den ersten Schritten voranbringen. Auf jeden Fall, da auch deutliche Erfolge erzielen. Im Laufe der nächsten Ratsperiode 100 Kilometer Schienen auszubauen, und zwar oberirdisch, denn das Problem ist ja: Die Auseinandersetzung im Rat um den Tunnel in der Innenstadt, für 2 Kilometer Tunnel in der Innenstadt, die hat viel schon kaputt gemacht. Die Planungskapazität in der Stadt wurden beschäftigt mit einer Doppelplanung. Das ist irrsinnig und wird den Anforderungen an eine Verkehrswende überhaupt nicht gerecht. Und wenn man auf den Tunnel verzichtet und oberirdischen Ausbau macht, dann kann man viel mehr schnell erreichen. Ich möchte natürlich die Fördermittel, die für den Tunnel in Summe über den Zeithorizont einzuwerben wären, die möchte ich natürlich für den oberirdischen Ausbau in der gesamten Fläche Kölns verwenden.
Schmidt: Jetzt haben sie wohl ihre Vorstellungen, ihre Ziele umrissen. Was braucht es denn dafür, um die zu erreichen? Mit welchen Mitteln wollen sie die Ziele erreichen?
Kockerbeck: Ja wie gesagt, die Fördermittel, die durch den Tunnelbau gebunden wären, die müssen für den oberirdischen Ausbau, für eine Anbindung aller Stadtteile eingesetzt werden. Denn viele Bürgerinnen und Bürger beklagen, dass abends beispielsweise der eigene Stadtteil, ganz schlecht angebunden ist. Und das muss sich einfach ändern, damit weniger zum Auto gegriffen wird.
Schmidt: Das ist jetzt die finanzielle Seite. Aber wie ist es organisatorisch? Da gibt es ja auch Hemmschuhe zurzeit und da ist die Frage, wie lösen wir das auf?
Kockerbeck: Ja, natürlich, da gibt es den Hemmschuh, dass die Stadt generell ein Problem mit technischem Personal hat. Das gibt es auch beim Schulbau. Und so müssen wir natürlich erstmal die Planungskapazitäten im Verkehrsbereich nicht zu blockieren durch den Tunnel, sondern für den oberirdischen Ausbau zu nutzen. Und zum Zweiten werde ich, wenn ich gewählt werde, überprüfen ob nicht Personal zugesetzt werden muss. Denn es wird in vielen Bereichen so getan, als könnte man die ökologisch soziale Transformation weiter mit den alten Möglichkeiten und Wegen machen. Und so geht das nicht. Wir wissen alle, das ist eine riesige Aufgabe für unsere Gesellschaft. Und dann muss in diesen Bereichen auch mehr Personal vorhanden sein.
Und sie hatten ja noch gefragt zum Radverkehr. Natürlich hat der Radverkehr, das hab ich ja bereits gesagt, ein hohes Potenzial. Der Radschnellweg nach Frechen, der leidet leider auch unter den Förderbedingungen des Landes. Da hoffen wir, dass das Land schnell seine Aufgaben macht, aber natürlich hat der auch eine hohe Bedeutung. Sie haben sie völlig recht, da kann man schnell auch viel erreichen.
Ich selbst arbeite ja in meinem Beruf als Lehrer in Leverkusen, und fahre mit dem ÖPNV und mit dem Klapprad. Das funktioniert leidlich und ich würde sehr gerne mit dem Fahrrad, vielleicht auch mit einem E-Bike die 14 Kilometer zur Arbeit fahren und dafür braucht es die Routen, die die Stadt auch schon geplant hat.Es gibt viele gute Konzepte für Radwege, und diese Konzepte müssen einfach umgesetzt werden.
Schmidt: Jetzt dachten Sie, mehr Stellen eventuell, die Situation ist aber so, dass der Haushalt hier sehr eng angespannt ist und, dass Stellen typischerweise nicht über Fördermittel finanziert werden, sondern eher über die Projektmittel. Nur wo kriegen wir das Geld her? Wo sparen wir ein?
Kockerbeck: Da haben sie recht. Ich habe diese Woche mein Sieben-Punkte-Programm als Kandidat vorgelegt. Und das hat einen Punkt “Finanzen”. Denn tatsächlich es steht und fällt fast alles mit Finanzen in der Stadt. Und die Kommunen sind gnadenlos unterfinanziert. Wenn wir aber sagen Köln hat die größte Haushaltskrise seit Jahrzehnten – das hat es. Dann muss man sagen: "Wir brauchen jetzt entschlossene Maßnahmen, Notmaßnahmen.” Es kann auch da nicht so weitergehen wie bisher. Also ich möchte die Gewerbesteuer um 50 Hebepunkte anheben, wie die Stadt Bonn das gemacht hat, ich möchte mehr Betriebsprüfer einstellen beim Steueramt, die dann bei der Erhebung der Gewerbesteuer mitwirken, dazu hat die Stadt das Recht, und wir müssen vieles auf den Prüfstand stellen. Auch bisherige Ausgaben. Zum Beispiel auch externe Vergaben. Wieviel ist doch mit Bordmitteln zu lösen? Und die Gewerbesteuer allein würde nach den Auskünften der Kämmerei 130 Millionen Euro jährlich erbringen. Aber das reicht noch nicht für die Aufgaben in vielen Feldern. Wir müssen ehrlich auch sagen – als viertgrößte Stadt der Bundesrepublik – und wir müssen Bündnisse dafür schmieden: “Wir sind unterfinanziert. Die Kommunen sind für ihre großen Aufgaben unterfinanziert.” Und der Bund und das Land müssen da ihre Politik umstellen und dauerhaft einen größeren Anteil am Steueraufkommen an die Kommunen abgeben. Ich weiß, das ist jetzt ein Bisschen weit weg, und das ist ein großes Projekt. Aber da müssen wir uns natürlich schon ehrlich machen. Ich glaube, die gesamte sozial ökologische Transformation wird ohne das Scheitern.
Schmidt: Wie unterscheidet sich ihr Programm von dem ihrer Vorgängerin? Was finden Sie lief gut? Ich denke da gibt es ja auch Dinge, die man da benennen kann. Was lief schlecht? Welche besonderen Akzente setzen sie?
Kockerbeck: Sie meinen jetzt natürlich den Verkehrsbereich?
Schmidt: Vor allen Dingen. Meinetwegen auch können Sie darüber hinausschauen.
Kockerbeck: Ich muss sagen, wir haben uns als Stadt Köln gut bundesweit als Stadt der Vielfalt und Offenheit präsentiert. Wir haben im Geflüchtetenbereich für eine liberale Migrationspolitik geworben. Mit unserem Beispiel und durch öffentliche Aussagen. Und das ist etwas, das sollte natürlich auch fortgeführt werden. Da müsste man sogar überlegen, , soll sich der Oberbürgermeister oder die Oberbürgermeisterin nicht auch schützend hinter das Kirchenasyl, das es ja in Köln auch gibt, stellen?
Im Verkehrsbereich sind bei den Fahrradwegen gewisse Erfolge, maßvolle Erfolge erzielt worden. Ich sehe jetzt nicht den großen Unterschied zu anderen Städten. Es ist auf jeden Fall hilfreich, was passiert ist. Zum Beispiel die farbig gekennzeichneten breiten Radspuren auf den Straßen, die sichern Menschen, die Rad fahren – ich fahre ja mit dem Rad im Verkehr – und das fördert auch den Radverkehr. Denn Sicherheit ist gewiss ein Punkt, der viele Menschen daran hindert, in der Stadt mit dem Fahrrad herumzufahren.
Schmidt: Ist Sicherheit das größte Problem was Sie sehen im Radverkehr?
Kockerbeck: Nein, natürlich nicht. Also die Routen müssen auch durchgängig gut benutzbar sein, der Radverkehr muss rollen. Früher sagte man immer, der Autoverkehr muss rollen, der Lkw-Verkehr.
Schmidt: Man sagte “Verkehr” und meinte nur den Autoverkehr.
Kockerbeck: Ja genau. Und der Radverkehr, der muss durchgängig rollen und da ist leider noch zu viel Stückwerk, das bricht dann wieder ab, das ist nur punktuell vorhanden.
Ein Erfolg war sicherlich – wenn auch nur ein symbolischer Erfolg – war die Freigabe der Radstreifen auf dem Ring. Aber die Initiative hat er ja auch ganz toll und mutig jahrelang dafür gestritten. So etwas muss einfach schon von der Stadt Köln proaktiv, durchaus natürlich mit Verbänden wie dem Ihren und den Initiativen besprochen und geplant werden. Ich gehe mal davon aus – ich bin ja nicht im Verkehrsausschuss bisher – der Herr Egerer ist auch im Gespräch mit Ihnen und den anderen Initiativen. Das läuft auch schon ganz gut.
Die Rheinüberquerungen sind ein massives Problem. Natürlich als erstes auf der Prioritätsliste stünde bei mir die Hohenzollernbrücke. Die muss verbreitert werden, da muss eine Lösung gefunden werden auf der Südseite, denn das ist im Moment die Hauptseite.
Man kann natürlich noch weitere Dinge überlegen... Aber auch neue Brücken für den Fahrradverkehr kommen in Betracht. Also ich war jetzt im Urlaub, erst in Wien, bin da mit dem Fahrrad rumgefahren und ich habe gesehen, die Autobahnbrücke, die mitten in Wien in die Stadt rein führt, die hat einen ganz toll breiten Fahrradweg, da ist ein Fußgängerbereich und ein sehr breiter Fahrradbereich und so muss das in Köln auch gemacht werden.
Schmidt: Zum Schluss haben Sie jetzt noch die Möglichkeit zur schamlosen Selbstvermarktung. Warum sind sie als Oberbürgermeister die richtige Wahl für uns? Insbesondere unter dem Gesichtspunkt des sicheren und des besseren Radverkehrs in Köln?
Kockerbeck: Also ich möchte zuallererst die dramatische soziale Spaltung der Gesellschaft bekämpfen. Da spielt aber auch der Verkehrsbereich eine soziale Rolle, das habe ich ja bereits angemerkt. Auch viele Kinder und Jugendliche sehr stark aus einkommensärmeren Familien fahren mit dem Fahrrad., das ist also ein Problem, denn die soziale Spaltung gefährdet unsere Demokratie. Das wissen wir eigentlich genau. Meines Erachtens übersehen die anderen Parteien die Dramatik dieser Situation. Deshalb möchte ich bei Wohnen eine neue Wohnungsbaugesellschaft für die Stadt Köln. Die Stadt Köln muss mit dem Wohnungsamt gegen Mietwucher und überhöhte Mieten aktiv vorgehen. Der Verkehrsbereich spielt seine Rolle auch in puncto Fahrpreise. Am liebsten wäre mir der Nulltarif in Köln für den öffentlichen Personennahverkehr.
Und der Bildungsbereich. Deutlich mehr Gesamtschulen in Köln. Denn wir wissen, die führen zu mehr Bildungsgerechtigkeit. Die Obdachlosigkeit ist etwas, was viele Menschen traurig macht, was sie in dem Sinne stört, dass sie sagen, die Verelendung muss doch bekämpft werden, wozu sind wir eine so reiche Gesellschaft? Deshalb möchte ich da mehr auch Maßnahmen als bisher ergreifen.
Da sind wir übrigens wieder beim Finanzproblem. Die Stadt hat in vielen Bereichen gute Konzepte, gute Ansätze. Aber diese müssen auch durchgeführt werden auch im Verkehrsbereich.
Schmidt: Vielen Dank für das Gespräch.
Kockerbeck: Ich danke auch.
Wählen gehen am 14. September!
Bei der Kölner Kommunalwahl werden am 14. September 2025 der Stadtrat und die neun Bezirksvertretungen neu gewählt. Dort fallen auch alle Entscheidungen über die Kölner Radverkehrsinfrastruktur. Außerdem wählen wir an dem Tag ein neues Stadtoberhaupt. Hier ist allerdings eine Stichwahl am 28. September zu erwarten. Schon jetzt könnt ihr Briefwahlunterlagen beantragen oder vor Ort die Direktwahl machen.