ADFC-Interview mit Inga Feuser, GUT & Klimafreunde
Inga Feuser will den Autoverkehr deutlich reduzieren, sichere und breite Rad- sowie Gehwege schaffen und den ÖPNV stärken. Sie setzt auf konsequente Beschlussumsetzung und autofreie Veedel.
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Christoph Schmidt (ADFC): Hallo Frau Feuser, Herzlich Willkommen ADFC. Wir haben sie als Kandidatin für das Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterinnenamt eingeladen und ich hätte als Wunsch, dass sie die Verkehrspolitik, die sie sich vorstellen, zunächst mal skizzieren, und zwar auch im Hinblick auf die Kölner Klimaziele.
Inga Feuser: Ja sehr gerne erstmal vielen Dank, dass ich hier sein darf.
Was die Verkehrspolitik angeht, so stehen wir dafür, dass wir ganz klar die Mobilitätswende deutlich vorantreiben wollen. Das heißt für uns, wir möchten den motorisierten Individualverkehr, also den Autoverkehr, deutlich reduzieren, wir möchten mehr Platz schaffen für Fahrradfahrer:innen und für Fußgänger:innen und den ÖPNV stärken.In Bezug auf Fahrrad heißt das konkret, wir brauchen viel mehr sichere und breite Radwege. Das heißt auch, dass wir dann Autospuren wegnehmen müssen. Wie zum Beispiel auf dem Gürtel, um da Platz für die Räder zu schaffen, um dann wiederum auch Platz auf dem Gehsteig zu schaffen für barrierefreie und breite Gehwege. Und dafür müssen wir natürlich den Autoverkehr deutlich reduzieren. Das heißt für mich zum Beispiel, der Model Split ist gerade so, dass wir 25% ungefähr der Wege mit dem Auto zurückgelegt werden – Je nach Veedel ist das natürlich unterschiedlich – dass wir das noch ein Stück weiter runter kriegen wollen und aber auch vor allen Dingen den Pendelverkehr deutlich reduzieren wollen. Dafür brauchen wir natürlich wiederum einen viel stärkeren ÖPNV, das wäre das letzte Puzzleteil in unserem Verkehrskonzept: Dass wir den ÖPNV deutlich stärken, und wir dadurch eben Angebote schaffen, dass die Leute ihr Auto vor der Stadt stehen lassen können, um dann mit der Bahn reinzufahren.
Schmidt: Und wie erreichen wir diese Ziele? Also mit welchen Maßnahmen, mit welchen Mitteln können wir diese Ziele auch erreichen?
Feuser: Wie ich es gerade gesagt habe, durch konsequenten Ausbau der Radwege dann auch ehrlicherweise auf Kosten des Platzes für die Autofahrenden, das heißt auch wir müssen Parkplätze wegnehmen,damit die Gehwege barrierefrei werden, damit die Radwege sicher werden, müssen wir Parkplätze wegnehmen, wir müssen Tempo reduzieren und wir müssen die Möglichkeit, mit dem Auto irgendwohin zu fahren einschränken. Wir haben Beispiele: Venloer Straße, Ehrenstraße, Trankgasse, das würden wir deutlich weiter ausbauen, damit wir autofreie Veedel bekommen. Und eben, wie ich gerade gesagt habe: die Alternativangebote erhöhen.
Schmidt: Wenn wir jetzt noch mal mehr die in die organisatorischen Themen reingehen: also wie erreichen wir, dass die Dinge auch durchgesetzt werden? Dass wir die Mehrheiten kriegen? Dass die Verwaltung mitzieht? Das sind ja spannende Themen für eine Oberbürgermeisterin.
Feuser: Genau also, dass die Verwaltung mitzieht, dafür trete ich an. Und da haben wir in der letzten Reitperiode schon auch gesehen, dass die Oberbürgermeisterin da durchaus auch Einfluss hat. Wir hatten da ein Beispiel. Da ging es um den barrierefreien Ausbau einer KVB-Haltestelle und im Zuge dessen war eigentlich geplant, da auch direkt Fahrspuren wegzunehmen, um mehr Platz für Radverkehr zu schaffen. Und da stellt sich dann die Frage, warum das plötzlich doch noch mal der Politik vorgelegt wurde und kurz vorm Wahlkampf und doch noch mal diskutiert wurde und dann wieder verändert wurde. Da kann eine Oberbürgermeisterin natürlich sagen: “Nein, da gibt es einen gültigen Beschluss. Das machen wir jetzt auch so.” Das heißt Beschlüsse, die es gibt, nicht immer wieder hinterfragen, sondern konsequent auch durchziehen.
Die politischen Mehrheiten zu organisieren, ist natürlich auch eine Aufgabe einer Oberbürgermeisterin. Aber das kann ich natürlich dann nicht alleine, dafür braucht es progressive Mehrheiten im Rat, die das hoffentlich vertreten. Und meine Aufgabe wäre es dann, die die Verwaltung da auch mit ins Boot zu holen.
Schmidt: Und wie unterscheidet sich jetzt ihr konkretes Programm von dem ihrer Vorgängerin? Also von dem, was sie gemacht hat? Und wenn wir so zurückblicken: Was lief gut, was lief schlecht in den letzten Legislaturperioden von Frau Reker? Welche besonderen Akzente würden sie setzen?
Feuser: Ich möchte Frau Reker nicht so negativ beurteilen. Ich finde sie hat in vielen Dingen n guten Job gemacht. Ich glaube aber, die Verkehrswende war nie ihr Herzensthema. So ich habe ich den Eindruck, sie hat verstanden, dass wir Klimaziele erreichen müssen. Sie steht aber nicht – und als zum Teil CDU getragene Kandidatin vielleicht auch verständlich – nicht mit vollem Herzen hinter der Verkehrswende. Und das hat man eben an manchen Stellen deutlich gemerkt, wenn es um Verwaltungsentscheidungen ging, und das ist das ist was, was wir anders machen würden. Die Frage ist auch, wie schaffen wir es, dass innerhalb des Verkehrsdezernates die Wege schneller werden, die Zusammenarbeit besser funktioniert und, dass wir eben an manchen Stellen dann die Prozesse einfach auch beschleunigen und nicht noch mal eine Schleife drehen?
Schmidt: Sind da verkehrsversuche eine gute Möglichkeit? Oder haben wir jetzt aus den Verkehrsversuchen gelernt, dass wir sie als gescheitert ansehen? Oder müssen wir sie nur anders machen?
Feuser: Also ich persönlich finde nicht, dass wir sie als gescheitert ansehen müssen. Das Problem ist glaube ich eher, dass wir Politiker:innen und Verwaltungsmenschen haben, die teilweise schnell zurückschrecken, wenn ein Versuch im ersten Moment mal nicht funktioniert. Also das ist ja auch der der Charakter eines Versuches, dass man eben erprobt, kann das funktionieren? Und dann eben auch die Möglichkeit hat, wenn man in die Umsetzung geht, noch mal nachzujustieren, zu gucken, was hat gut geklappt und wo müssen wir es vielleicht noch mal verändern? Und nur weil wir jetzt also den ein oder anderen Rückschlag auch hinnehmen mussten, zum Beispiel auf der Deutzer Freiheit oder so. Aber die Venloer Straße zeigt ja jetzt am Ende, es sind alle glückliche auf der Venloer Straße. Es ist jetzt viel sicherer da Rad zu fahren.
Und witzigerweise: Meine Tochter musste für die Schule eine Umfrage in Geschäften machen. Und sie hat gesagt: “Mama, alle Geschäftsinhaber haben mir gesagt, sie finden es super, keiner hat ein Problem damit und keiner hat Umsatzeinbußen.” Das ist jetzt natürlich nicht valide, aber letztendlich zeigt die Venloer Straße, dass Verkehrsversuche eigentlich ein ganz guter Weg sind, zu erproben wo die Reise hingehen kann und wie neue Konzepte funktionieren können.
Schmidt: In der Innenstadt, ist ja viel passiert, oder in Ehrenfeld jetzt auf der Venloer Straße. Aber sonst hat man oft die den Eindruck, dass die anderen acht Stadtbezirke der Verwaltung gar nicht bekannt sind. Und wie kriegen wir die Verwaltung und die Politik dazu, auch die teilweise vorhandenen Beschlüsse in den anderen Stadtbezirken umzusetzen?
Feuser: Also ich glaube, dass die Zusammenarbeit zwischen den Bezirken, den Bezirksvertretungen und dem Verkehrsdezernat verbessert werden müsste.Ich bin ja fünf Jahre lang auch in der Bezirksvertretung in Nippes gewesen. Da habe ich schon gemerkt, dass wir sehr viel beschließen, was dann am Ende des Tages überhaupt nicht umgesetzt wird. Das kann man sicherlich verbessern, indem man die Kommunikation zwischen Politik und Verwaltung schon vor den Beschlüssen verbessert. Das heißt: Politik weiß auch das, was ich hier beschließe ist auch umsetzbar. Dafür muss die Verwaltung aber natürlich auch bereit sein, Kommunikation mit der mit der Politik auf Augenhöhe zu machen. Das halte ich für einen wichtigen Punkt.
Ich glaube, dass jetzt nachdem wir gesehen haben in der Innenstadt ist viel passiert, da sind viele gute Dinge gelaufen, das jetzt in der kommenden Ratsperiode ein Stück weit in die Bezirke tragen. Und es gibt ja auch gute Beispiele, wie in Nippes diese Fahrradachse über die Etzelstraße hoch in den Norden. Die ist ja wirklich ein gutes Beispiel, dass es auch funktioniert. Und das brauchen wir jetzt an anderen Stellen auch noch.
Schmidt: Wie beurteilen Sie die Situation des Radverkehrs in Köln? Was sind aus Ihrer Sicht die größten Probleme und wie wollen Sie die angehen?
Feuser: Ich glaube ein ganz großes Problem ist, dass wir an vielen Stellen Radwege haben, die im Nichts enden. – Ich kann aus dem Stehgreif drei Stellen nennen, an denen ich häufig lang fahre, wo auf einmal der Radweg endet und ich als Radfahrerin überhaupt nicht weiß, wo ich jetzt hin muss oder hin darf.
Das zweite große Problem ist, dass wir eben nicht bereit sind – damit komme ich zurück zum Anfang – Platz fürs Auto wegzunehmen, um Platz für Fahrräder zu schaffen. Das heißt der mangelnde Platz verhindert auch, dass wir sichere Radwege haben, die auch von Kindern benutzt werden können oder von unsicheren Radfahrer:innen. Das ist, glaube ich, ein Riesenproblem, das wir angehen müssen. Dazu gehört auch die Parkplatzsituation mit den Dooringunfällen. Also es gibt einfach Stellen, da müssen die Parkplätze weg, damit ich da eine sichere Radinfrastruktur habe. Weil sonst immer wieder die Konflikte zwischen den parkenden Autos, zwischen den aufgehenden Türen et cetera mit Radfahrer:innen entstehen.
Und das Dritte, was ich denke ist, wir brauchen viel mehr Tempo 30. Weil ich viel sicherer Rad fahre, wenn ich ungefähr ein gleiches Tempo mit den Autos fahre, als wenn ich permanent überholt werde. Das wäre für uns auch noch ein wichtiger Aspekt.
Schmidt: Okay kommen wir zum Schluss. Sie haben wir jetzt am Ende noch die Möglichkeit der schamlosen Selbstvermarktung. Warum ist Inga Feuser genau die richtige Oberbürgermeisterin für die Kölnerinnen und Kölner, die Fahrrad fahren?
Feuser: Oh ja, gerade für die, die Fahrrad fahren wollen, nämlich deswegen, weil sie selber Fahrrad fährt. Ich glaube, das unterscheidet mich auch massiv von meiner ‘Vorgängerin’ , also von Henriette Reker. Ich fahre selber fast nur mit dem Fahrrad und ich setze mich ganz überzeugt für die Klimaziele dieser Stadt ein, weil eben ohne den Schutz des Klimas brauchen wir alles andere eigentlich auch nicht mehr machen.
Und die Stärkung des Radverkehrs, das sehen wir in anderen Städten, ist einfach ein ganz, ganz wichtiger Schlüssel, um die Emissionen aus dem aus dem Verkehr runterzubekommen. Dementsprechend, das ist mein Herzensthema, meine Herzensangelegenheit. Von daher können sich die Kölner:innen darauf verlassen, dass für mich die Stärkung des Umweltverbundes ein wichtiges Hauptanliegen ist und ich keine Kompromisse mache wenn es um Radverkehr und Fußverkehr geht.
Weil ich selber Kinder habe und weiß, wie wichtig es ist, dass wir die Rechte unserer Kinder auch stärker in den Vordergrund stellen. Dazu gehört natürlich auch eine Mobilität, die für Kinder zugänglich ist, also sichere Radwege, sichere Schulwege et cetera.
Und weil wir als GUT & Klimafreunde einfach auch neue und innovative Ideen reinbringen und nicht immer wieder die gleichen Konzepte aus den letzten Jahrhunderten oder die letzten Jahrzehnten anbringen.
Und da würde ich gerne am Schluss für den ÖPNV noch kurz Werbung machen: Das Rheinpendel, die Seilbahn, die ja jetzt immer wieder auch bei den im Kölner Stadtanzeiger zum Beispiel genannt wurde, das ist ja eine Gut und Klimafreunde –Idee. Die dazu nun vorliegende Machbarkeitsstudie, ist auf unserem Mist gewachsen. Und mit solchen neuen, innovativen Ideen bringen wir dann zum Beispiel eben auch den ÖPNV in Schuss und holen die Autos von der Straße. Das sind die neuen und kreativen Ideen, für die wir stehen! Und deswegen freue ich mich über die Unterstützung von allen Kölner:innen.
Schmidt: Vielen Dank fürs Gespräch!
Wählen gehen am 14. September!
Bei der Kölner Kommunalwahl werden am 14. September 2025 der Stadtrat und die neun Bezirksvertretungen neu gewählt. Dort fallen auch alle Entscheidungen über die Kölner Radverkehrsinfrastruktur. Außerdem wählen wir an dem Tag ein neues Stadtoberhaupt. Hier ist allerdings eine Stichwahl am 28. September zu erwarten. Schon jetzt könnt ihr Briefwahlunterlagen beantragen oder vor Ort die Direktwahl machen.