Interview: Mit dem Rad durch die Stadt?
Antworten und Perspektiven zum Radfahren in Köln - Interview unseres Vorsitzenden Joachim Schalke mit unseren RadverkehrsexpertInnen Carolin Ohlwein und Christoph Schmidt
Die Wochenzeitung DIE ZEIT berichtete 2012 darüber warum Menschen in Kopenhagen Rad fahren. Die Antwort ist simpel: Weil es billiger, einfacher, schneller und sicherer ist. Wir haben in unserem Kölner ADFC-Magazin FahrRad mit unseren RadverkehrsexpertInnen Carolin Ohlwein und Christoph Schmidt gesprochen, warum sie in Köln Fahrrad fahren und wie das sicher funktionieren kann.
Warum fahrt ihr in Köln mit dem Rad?
Christoph: Schwer zu sagen, eigentlich ist Radfahren schon immer Teil meines Lebens. Ich fahre mit dem Rad, weil ich mich damit schnell durch die Stadt bewegen kann und zum Beispiel bei Einkaufen direkt bis zum Laden komme. Allerdings ist da auch durchaus ein Umweltgedanke dabei, denn lange Strecken lege ich mit der Bahn zurück. Zusammenfassend würde ich ganz einfach sagen, ich fahre Rad, weil es Spaß macht.
Carolin: Ich fahre Rad weil mir Bahnfahren in Köln keinen Spaß macht. Ich hatte immer das Gefühl, dass das Umsteigen lange dauert. Ein eigenes Auto habe ich nie besessen. Ich lebe seit 2004 in Köln. Nachdem ich den Stadtplan so ungefähr im Kopf hatte, dachte ich mir, Köln ist eigentlich kompakt, keine Hügel, keine Berge. Das Radfahren erschien mir da die logische Konsequenz zu sein.
Wo fahrt ihr am liebsten mit dem Fahrrad? Auf dem Radweg oder auf der Straße?
Christoph: Das kommt drauf an wo und wann. Eigentlich fahre ich wesentlich lieber auf der Straße. Auf der Straße werde ich vom Autofahrer gesehen und dies ist nachgewiesenermaßen nun mal wesentlich sicherer als auf dem Radweg. Aber auch wenn mir die Theorie dazu klar ist, dass zum Beispiel Rechtsabbiegeunfälle vor allem auf Radwegen passieren, gibt es durchaus Situationen, in denen ich mich durch das viel zu enge Überholen der Autos unwohl fühle. Der klassische Konflikt zwischen gefühlter und realer Sicherheit halt.
Carolin: Bei mir hängt das immer davon ab, wie meine Laune an dem Tag ist. Weil ich aber ein Rennrad fahre, sind auf vielen Strecken gerade die benutzungspflichtigen Radwege eine Zumutung. Die Aufforderung, diesen zu folgen, ignoriere ich oft, vor allem wenn ich schnell vorankommen will. Wenn ich morgens noch zu müde bin und über die Ringe muss, nehme ich manchmal den Radweg. Aber ich versuche sie zu vermeiden, nicht nur wegen der schlechten Oberfläche. Für mich gilt: Ein Fahrrad ist ein Fahrzeug und gehört damit auf die Straße. Ich möchte auch nicht Fußgängern ihren Platz streitig machen.
Was wäre aus Eurer Sicht das beste Mittel, um Radfahren in einer Großstadt wie Köln sicherer zu machen?
Carolin: Dazu müssten sich verschiedene Dinge verändern. Tempo 30 wäre eine der sinnvollsten Maßnahmen, weil sich dadurch die gefahrene Geschwindigkeit zwischen Autofahren und Radfahrern angleichen würde. Auch das Sichtfeld eines Autofahrers ändert sich stark in Zusammenhang mit der gefahrenen Geschwindigkeit. Tempo 30 führt zu einer Demokratisierung des Verkehrs. Aber auch mehr Rücksichtnahme, wie es der Paragraph 1 der StVO vorschreibt, würde helfen.
Christoph: Ich stimme Carolin zu. Tempo 30 ist die mit Abstand wichtigste Maßnahme für eine verbesserte Sicherheit. Wenn man sich einfach nur mal klar macht, dass vier von fünf Fußgängern oder Radfahrern einen Aufprall mit 50 km/h nicht überleben, aber bei 30 km/h unter 20% zu Tode kommen, dann ist die Umsetzung von flächendeckendem Tempo 30 in den Städten einfach zwingend.
Aber würde Tempo 30 nicht zu Problemen im Verkehrsfluss führen?
Christoph: Wir haben derzeit eine Durchschnittsgeschwindigkeit von gut 24 km/h in Köln. Da schränkt man den Autoverkehr mit Tempo 30 kaum ein. Außerdem spricht aus meiner Sicht nichts gegen Ausnahmen für Durchgangsstraßen, wie der Rheinuferstraße oder den Militärring.
Carolin: Bei 30 km/h würde der Verkehrsraum sinnvoller genutzt werden, denn umso höher die gefahrene Geschwindigkeit, desto mehr Platz verbraucht ein Fahrzeug. Der Bremsweg sowie der einzuhaltende Sicherheitsabstand sind größer bei höheren Geschwindigkeiten. Durch viele unterschiedlich gefahrene Geschwindigkeiten in der Stadt entsteht erst “Stop and Go”. Anders gesagt: Umso langsamer Verkehr fließt, desto konstanter ist er, verbraucht weniger Platz und ist damit auch schneller.
An der Infrastruktur selbst müsste man nichts ändern?
Christoph: Doch, natürlich. Wenn man sich mal die Großstädte wie Amsterdam oder Kopenhagen anschaut, dann ist es noch einen weiter Weg, um Köln zu einer Fahrradstadt zu machen, obwohl unsere flache Topologie eigentlich ideal ist. Mit handtuchbreiten Markierungen auf den Straßen ist es eben nicht getan. Wir kommen für ein weiteres Wachstum des Radverkehrs nicht drum herum, den Verkehrsraum grundlegend fairer zu verteilen und den Radverkehr und den Fußverkehr voneinander zu trennen. Letztendlich muss der Kraftfahrzeugverkehr auf allen wichtigen Straßen Parkraum und Spuren an den Radverkehr abgeben.
Carolin: Wir können Köln nicht neu bauen deshalb ist es, wie Christoph schon gesagt hat, wichtig, Platz umzuverteilen das könnte man über einfache Markierungen machen. Die Vorteile die Radfahren in der Stadt bringt müssten mehr herausgestellt werden. Es muss als Radfahrer schneller sein, sich durch eine Stadt zu bewegen. Das hat viel mit der konsequenten Umsetzung zu tun. Bis dato wird Radverkehrsförderung immer auf dem Rücken von Fußgängern gemacht und das muss sich ändern. Ich würde sagen, an vielen Stellen fehlt momentan eine adäquate Infrastruktur, wie an den Ringen.
Könnt Ihr gute Beispiele für eine notwendige Umverteilung des Verkehrsraums nennen?
Christoph: Wie Carolin gerade schon andeutete, werden an den Ringen Fahrradfahrer auf extrem schmalen Radwegen durch die Außengastronomie geschickt. Das ist sowohl für Radfahrer als auch für Fußgänger sehr gefährlich. Hier wäre es viel besser, wenn wir eine Radspur mit einer vollen Fahrstreifenbreite auf der Fahrbahn hätten. Dies kann teilweise durch das Entfernen einer Autospur, teilweise durch die Wegnahme von Parkplätzen erreicht werden.
Was ich aber auch wichtig finde, sind die Ost-West-Verbindungen. Die wichtigste Achse ist hier von der Deutzer Freiheit über Heumarkt und Neumarkt bis zur Aachener Straße. Das ist heute schon machbar, aber bereits dem heutigen Radverkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen. Dazu kommen unsägliche Situationen, wie der Neumarkt, der grundlegend umgestaltet werden muss.
Carolin: Da sind zusätzlich die fehlenden Nord-Süd-Verbindungen zu nennen. Am Rheinufer müssen wir Radfahrer durch die freigegebene Fußgängerzone fahren. Das ist aber meistens gar nicht möglich, weil dort insbesondere Touristen unser schönes Altstadtpanorama genießen. Hier würde ich mir eine separierte Durchfahrt durch den Rheinufertunnel wünschen.
Und die Nord-Süd-Fahrt wäre eine hervorragende Verbindung für Pendler zum Durchfahren der Innenstadt. Hier muss natürlich das Tempo begrenzt werden und dem Radverkehr genügend Platz eingeräumt werden. Das ist hier möglich, ohne den Autoverkehr auf weniger als zwei Spuren zu reduzieren.
Wir haben nun viel über den innerstädtischen Verkehr gesprochen. Aber was ist mit den Außenbezirken?
Christoph: Ja, sehr guter Punkt. Wir alle, egal ob Verband oder Kommune, müssen aufpassen, hier Mülheim, Chorweiler, Porz und Co. nicht zu vergessen. Natürlich haben Maßnahmen in der City immer eine gewisse Signalwirkung auch für die anderen Bezirke, aber es ist auch wichtig den Radverkehr sowohl in den Stadtteilen als auch die Anbindung an die Innenstadt zu berücksichtigen.
Carolin: Als ADFC versuchen wir dies durch Radlertreffs zu berücksichtigen und haben zum Beispiel in Porz auch eine sehr aktive Gruppe, die intensiv mit der dortigen Bezirksvertretung kommuniziert und auch eigene Vorschläge für Verbesserungen einbringt. Wir würden uns freuen, wenn wir mittelfristig da auch in anderen Außenbezirken so Fuß fassen würden.
Christoph: Neben uns ist übrigens die Gruppe REWK an diesem Thema dran und will Radexpresswege zwischen den Bezirken und zu unseren Nachbarstädten auf den Weg bringen. Das unterstützen wir und unser Vorsitzender Jo Schalke arbeitet da auch aktiv mit.
Wie muss man sich auf der Straße verhalten? Oder wie komm ich am besten durch die Stadt?
Carolin: Auch wenn es vielen eigentlich widerstrebt, auf der Straße zu fahren und sie sich auf einem separaten Radweg sicherer fühlen, sollte uns allen klar sein, dass wir dort wo wir vom Verkehr gesehen werden, am sichersten sind. Und das ist auf der Straße. Auch an Kreuzungen ist man vor Fahrzeugen sicherer und sollte darauf achten nicht neben ihnen zu stehen.
Das Rechtsfahrgebot gibt es zwar, aber auch dies sagt nicht dass wir in der Türöffnungszone am äußersten Rand fahren müssen. Die Formulierung sagt nur dass man möglichst weit rechts fahren soll. Um sich aber nicht selbst zu gefährden sollte man mindestens einen halben Meter zum Fahrbahnrand und zu parkenden Autos sogar einen ganzen Meter Abstand halten. Auch wenn es sich komisch anfühlt, sollte man sich manchmal den Platz einfach nehmen.
Christoph: Ja, das Thema Abstand gilt allerdings auch in besonderem Maße für das Überholen von Fahrrädern durch Kraftfahrzeuge. Die meisten wissen, dass hier mindestens anderthalb Meter erforderlich sind, jedoch die wenigsten halten sich daran. Wenige Sekunden Geschwindigkeitsvorteil scheinen hier manchem Autofahrer wichtiger zu sein, als die Sicherheit eines schwächeren Verkehrsteilnehmers.
Was ich mir dazu wirklich wünschen würde ist, dass diese Grundsätze mal richtig kommuniziert werden würden. Das fängt auf der Bundesebene an und endet bei der Kommunikation durch Stadt und Polizei. Vielleicht würde hier eine Festschreibung der Mindestabstände, wie es kürzlich noch die Grüne Bundestagsfraktion anregte, helfen. Denn dann hätte die Polizei neben der Rechtsprechung auch einen konkret verfolgbaren Verstoß gegen die StVO in der Hand.
Wenn ihr euch etwas für die Radfahrer wünschen könntet, was wäre das?
Carolin: Schwierig, aber ich wäre ganz schnell bei einer momentan noch gefühlten Utopie der Autofreien Stadt. Aber vielleicht gar nicht so weit weg von der Wirklichkeit. Wo gehen wir Einkaufen und Bummeln in den Innenstädten und warum tun wir das? – weil sie autofrei sind.
Christoph: Ich würde mir eine oder einen OB wünschen, der den Mut hat, das neue Radverkehrskonzept konsequent innerhalb der ersten Amtszeit umzusetzen, aber auch Visionen für eine Weiterentwicklung dieser Ansätze in der ganzen Stadt.
Das Interview erschien in leicht gekürzter Form in der Ausgabe 3/2015 unseres Magazins „FahrRad“.
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