ADFC-Interview mit Lars Wolfram, Volt
Lars Wolfram will Klimaneutralität 2035 und eine autoarme Innenstadt. Er fordert einen funktionierenden ÖPNV, das Ende des Tunnelprojekts und eine schnellere Umsetzung beschlossener Radmaßnahmen.
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Christoph Schmidt (ADFC): Herr Wolfram. Herzlich Willkommen im ADFC. Wir haben Sie eingeladen als Kandidat für das Oberbürgermeisteramt und ich würde mir wünschen, dass Sie am Anfang ihre verkehrspolitische Vorstellung skizzieren, im Allgemeinen, aber auch im besonderen Hinblick auf den Klimaschutz.
Lars Wolfram: Ja, sehr gerne. Also erstmal schön hier sein zu können als Oberbürgermeisterkandidat von Volt. Es ist glaube ich kein Geheimnis – steht auch in unserem Wahlprogramm – Klimaneutralität 2035 ist nicht verhandelbar. Dazu gehört die Verkehrswende. Und da spielt das Fahrrad natürlich in unseren Überlegungen eine extrem wichtige Rolle. Wenn auf die letzten Jahre zurückblickt in Köln, dann wurde unseres Erachtens das Auto hier bevorzugt vor anderen Verkehrsmitteln. Das muss sich ändern, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Dazu gehört dann aber auch ein funktionierender öffentlicher Personennahverkehr, und das ist in Köln ja auch ein bekanntes Problem.
Schmidt: Jetzt sagen Sie: „Klimaneutralität 2035 ist aus meiner Sicht ein sehr ambitioniertes Ziel weil wir noch nicht viel dafür getan haben.“ Was müssen wir noch machen?
Wolfram: Wenn wir über den Tellerrand der Verkehrswende hinaus gucken, dann muss Köln eine Schwarmstadt werden. Dann müssen wir auch dafür sorgen, dass öffentliche Gebäude konsequent mit Photovolataik-Anlagen bebaut werden. Dann brauchen wir eine Fassadenbegrünung. Ich glaube da sind wir alle in der Pflicht. Das wird auch wehtun. Das habe ich letztens auf dem Panel gesagt: „Klimaziele zu erreichen, ist kein Spaziergang.“ Da ist jeder einzelne, jede Kölnerin gefordert. Dasist das höchste Zielwas wir haben.
Schmidt: Und wie wollen Sie denn diese Vorstellung, die Sie haben, Ihre Ziele, wie wollen Sie die umsetzen? Mit welchen Maßnahmen, mit welchen Dingen können wir das erreichen?
Wolfram: Was glaube ich super wichtig ist, ist, die Menschen mizutnehmen. Ich kenne natürlich die Diskussion in der Stadt, wenn wir sagen, wir wollen eine autoarme Stadt haben. Oder ich habe auch schon mal das Bild in den Raum gestellt, wie schön könnte ein Neumarkt sein, wenn keine Autos drum herum fahren. Dann gibt es natürlich direkt einen Aufschrei von den Autofahrerinnen und vom Handel. Das heißt, man muss die Leute an einen Tisch holen. So macht man auch aus unternehmerischer Sicht die Dinge. Man muss Perspektiven verstehen. Man muss man Vorteile und Nachteile abwägen. Und dann muss man auch gucken, woher kommen die Mittel? Aber, dass das Klimaziel erreicht werden muss, ist unstrittig.
Schmidt: Jetzt haben wir eine angespannte Haushaltslage.Es gibt ja das Gutachten „Köln klimaaktiv 2035“, in dem auch steht, wie viele Stellen nötig sind wenn ich die alles schaffen will. Dazu sind gewaltige Umschichtungen im Haushalt nötig. Stellen sind in der Regel nicht gefördert durch die Förderprogramme. Das ist der eine Aspekt, den ich habe. der andere ist: wie kriegen wir die Mehrheiten hin für das Thema?
Wolfram: Sie haben schon gesagt: Umschichten. Dafür trete ich auch an. Was in der Diskussion manchmal zu kurz kommt ist, dass alle nur darüber reden wie schlecht es um den Haushalt steht. Nichtsdestotrotz: Köln ist die viertgrößte Stadt Deutschlands. Wir haben einen Haushalt mit 6 Milliarden Euro. Wir treffen Entscheidungen, dass wir einen Tunnel durch diese Stadt bauen wollen, der 2 Kilometer lang ist und eine Milliarde verschlingt. Oder: Letztens hat ein Ratsmitglied gesagt: „Na ja, wenn es 3 Milliarden wären, dann wären es halt 3 Milliarden. Es wird ja gefördert.“ Ich glaube, das ist ein gutes Symptom, wie verschwenderisch mit Geld umgegangen wird.
Wenn wir auf die KVB gucken, diemacht 180 Millionen Euro Verlust im Jahr. Vergleichbare öffentliche Personennahverkehre in anderen Städten dieser Größe machen 20 Millionen Euro Verlust. Da sind schon mal 160 Millionen Euro drin, die man einsparen könnte.
Und wenn wir über die Mitarbeitenden reden– wir haben in der Verwaltung über 20.000 Menschen, die da arbeiten – wenn wir die Digitalisierung komplett da drunter legen, dann werden ganz bestimmt Ressourcen frei, die wir umverteilen können. Also kurz gesagt: ich glaube, die Mittel sind da, wenn wir sie schlau einsetzen.
Schmidt: Wie unterscheidet sich ihr Programm von dem ihrer möglichen Vorgängerin? Was würden Sie sagen lief gut? Was lief schlecht? Wo würden sie neue Akzente setzen?
Wolfram: Wir sitzen mit Volt schon seit fünf Jahren mit vier Menschen im Rat. Und nicht nur das. Wir sind Teil des Bündnisses mit den Grünen und mit der CDU. Die Grünen und die CDU haben auch unsere Vorgängerin bei der bei der OB-Wahl unterstützt.
Was ich schon sehe ist, dass es relativ viel Stillstand in dieser Stadt gibt. Das sehe ich. Das höre ich, wenn ich mit den Menschen rede. Deswegen ist eine der wichtigen Forderungen, Köln wieder entscheidungsfähig zu machen. Es liegen viele gute Konzepte in der Schublade. Es scheitert daran, dass der Stadtrat und die Verwaltung sich nicht darüber einigen können, was und wie es umgesetzt wird. Die Ideen sind da!
Schmidt: Aber haben wir nicht oft auch die Entscheidungen schon und setzen sie nicht um?
Wolfram: Auch das passiert. Ich glaube, das geht in beide Richtungen. Jetzt haben wir eine Entscheidung mit dem Tunnel. Da wurde ich kritisiert, als ich die wieder in Frage gestellt habe. Ob ich kein Demokrat sei? Weil es eine demokratische Entscheidung ist. Also grundsätzlich ist es so: Ja, Entscheidungen, die da sind, müssen umgesetzt werden. Das betrifft auch die Gleuler Wiese und das Geißbockheim. Auch was wir in Sachen Fahrradverkehr entschieden haben sollte umgesetzt werden. Der Fahrradentscheid ist auch ein gutes Beispiel: Da diskutieren wir auf einmal wieder, ob er umgesetzt werden soll? Wie erumgesetzt werden soll? Es muss noch mal eine Extrarunde gedreht werden. Da würde ich mir als Oberbürgermeister ganz klar auf die Fahnen schreiben: wir brauchen da mehr Geschwindigkeit.
Schmidt: Und wie kriegen wir die Geschwindigkeit hin?
Wolfram: Die Geschwindigkeit kriegen wir hin, indem man diesen Graben, der dazwischen Verwaltung und Stadtrat herrscht, schließt. Es gab mal eine Stadt, unweit von Köln im Norden. Düsseldorf. Da ist mal der Herr Erwin angetreten. Ich habe ihn jetzt schon öfter rezitiert. Der hat das gut hinbekommen. Da gab es nämlich auch diese Konflikte – und wenn wir uns angucken wie sich das Stadtbild von Düsseldorf verändert hat, dann ist da sehr viel zum Guten passiert. Und wie hat er das gemacht? Er hat eine Institution über die Verwaltung und über den Stadtrat gelegt. Das würde ich auch machen. Das heißt, es braucht eine Institution, die entscheidet wenn die beiden Gremien sich nicht einig werden.
Schmidt: Wie beurteilen Sie die Situation des Radverkehrs in Köln aktuell? Was sind aus Ihrer Sicht so die größten Probleme? Wie wollen sie damit umgehen?
Wolfram: Wir sind hier ja unweit des Barbarossaplatzes. Als Urkölner bin ich hier schon oft lang gefahren. Zu allen Tages- und Nachtzeiten. Und manchmal frage ich mich, wie ich das eigentlich überstanden habe. Es gibt ja viele gefährliche Stellen. Es gibt viele weiße Fahrräder, die hier immer noch stehen; die leider davon zeugen, dass es dramatische Unfälle gibt. Mit Todesfolge. Als Fahrradfahrer fühlt man sich hier in Köln nicht sicher. Wenngleich es natürlich Verbesserungen gibt. Der Radweg entlang der Ringe bis in die Südstadt ist – natürlich nicht die ganze Strecke – aber wenn man dann Richtung Chlodwigplatz fährt, am Ubierring vorbei. Das sind glaube ich gute Beispiele. Auch davon brauchen wir mehr. Und auch wenn wir sagen – was wir bei Volt ja häufig tun – wir brauchen Europa in der Kommune – europäische Lösungen nach Köln holen – wenn wir uns angucken wie in Barcelona, wie Paris Fahrradverkehr, Fußgängerverkehr, hochpriorisiert haben und da für ihr Auto Linien weggenommen haben , sollten wir das auch tun.
Schmidt: Zum Schluss haben Sie jetzt noch die Möglichkeit der schamlosen Selbstvermarktung: Warum sind sie der richtige Oberbürgermeister für Köln? Und zwar vor allen Dingen für die Menschen, die mit dem Fahrrad unterwegs sind?
Wolfram: Ja, warum bin ich der richtige Oberbürgermeister? Ich glaube, wir brauchen hier ganz dringend frischen Wind. Ich bin ja Quereinsteiger, ich bin eigentlich Unternehmer. Ich habe ein Unternehmen aufgebaut in Nippes, mit 100 Menschen. Wir bauen eigentlich Software. Was man macht ist: Sich anhören, was ist der Status quo? Wo möchten wir hin? Wie können wir die Lücke schließen? Was ich bei den Kandidierenden sehe, die auch für dieses Amt antreten ist, dass sie alle aus dem bestehenden System kommen. Sie sind meines Erachtens alle Teile des Problems.
Nichtsdestotrotz schreiben manche „Keinen Amt für Anfänger“ auf ihre Plakate. Ich sage gerade jetzt braucht es frischen Wind. Jetzt braucht es Anfänger, jetzt braucht es einen Blick von außen. Als Unternehmer bringe ich den mit.
Warum trete ich überhaupt an? Ich hab mir letztes Jahr am Tag nach der Europawahl die Ergebnisse angeguckt und hab gesagt: „so geht es nicht weiter, da muss was passieren!“ jetzt ist wieder Ambition gefragt. Der Mut zu entscheiden. Nicht jede Entscheidung muss richtig sein. Das bringe ich mit meinem unternehmerischen Blick mit.
Und warum ist es für die für die fahrradfahrenden Kölner.innen wichtig? Weil es in unserem Parteiprogramm verankert ist. Die Priorität muss weg vom Auto, muss hinzu den Fahrrädern, das brauchen wir, damit wir sicher durch die Stadt kommen, damit wir die Klimaziele erreichen und Köln am Ende eine lebenswerte Stadt ist.
Schmidt: Vielen Dank für das Gespräch.
Wolfram: Vielen Dank für die Einladung.
[A1]Zahl ggf. verifizieren.
Wählen gehen am 14. September!
Bei der Kölner Kommunalwahl werden am 14. September 2025 der Stadtrat und die neun Bezirksvertretungen neu gewählt. Dort fallen auch alle Entscheidungen über die Kölner Radverkehrsinfrastruktur. Außerdem wählen wir an dem Tag ein neues Stadtoberhaupt. Hier ist allerdings eine Stichwahl am 28. September zu erwarten. Schon jetzt könnt ihr Briefwahlunterlagen beantragen oder vor Ort die Direktwahl machen.