Erweiterung des Verkehrsmanagementsystems und Errichtung von 80 Dauerzählstellen
Die Verwaltung möchte für 3,3 Mio Euro weitere Dauerzählstellen an rund 80 Querschnitten einrichten. Wir halten es für notwendig, die Verkehrswende mit Daten zu begleiten. Das Vorhaben bezieht sich aber fast ausschließlich auf den Kfz-Verkehr.
ADFC Köln, FUSS e.V. Köln, RADKOMM, VCD Region Köln: Mit der Beschlussvorlage 845/2020 möchte die Verwaltung für 3,3 Millionen Euro weitere Dauerzählstellen an rund 80 Querschnitten einrichten. Wir halten es in der Tat für notwendig, die Verkehrswende mit Daten zu begleiten. Das Vorhaben der Verwaltung bezieht sich aber fast ausschließlich auf den KFZ-Verkehr.
Mögliche positive Auswirkungen auf den Klimaschutz sind angesichts der Begründungen und Erläuterungen in der Vorlage nicht erkennbar. Unsere Kritikpunkte im Einzelnen:
1. Die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmenden ist nicht gegeben
Bei der Hälfte der neuen Zählstellen soll der Radverkehr undifferenziert miterfasst werden, bei der anderen Hälfte gar nicht. Der Fußverkehr wird überhaupt nicht berücksichtigt, dabei hat dieser in der Innenstadt einen Anteil von rund 40%, ebenso in vielen Ortsstraßen und Hauptstraßen in den Vierteln.
Während der KFZ-Verkehr differenziert gezählt wird (PKW, PKW mit Anhänger, Busse, LKW, LKW mit Anhänger, etc.), wird der Radverkehr freundlicherweise miterfasst – allerdings nur undifferenziert. Dabei wäre gerade eine Unterscheidung nach Lastenrädern, Gespannen mit (Kinder)Anhängern, Rikschas für die erforderlichen Breiten von Radinfrastruktur außerordentlich wichtig.
Ausgerechnet in der Innenstadt soll der KFZ-Lieferverkehr nicht differenziert werden, dabei ist er hier besonders bedeutsam.
2. Die Standorte der Dauerzählstellen sind unzulänglich gewählt
Alleine 40 Dauerzählstellen sind in der Innenstadt geplant. Der Radverkehr wird dort (undifferenziert) freundlicherweise miterfasst. Bei weiteren 40 Zählstellen an Hauptstraßen außerhalb der Innenstadt soll ausschließlich der KFZ-Verkehr erfasst werden. Der Radverkehr wird somit nicht flächendeckend gezählt, sondern nur in der Innenstadt. Es gibt in Köln aber auch in den anderen Stadtvierteln, im Außenbereich und auf zahlreichen Pendlerstrecken einen hohen Radverkehrsanteil. Auch an Hauptverkehrsstraßen gibt es Radund Fußverkehr, so auf Luxemburger Straße, Aachener Straße, Bergisch Gladbacher Straße, und vielen mehr. Die einzigen Straßen ohne Radverkehr sind die Autobahnen und autobahnähnlichen Straßen. Bekannte Hotspots mit hoher NO2-Belastung sind nicht nur in der Innenstadt, wie es in der Verwaltungsvorlage steht, sondern an Hauptverkehrsstraßen mit Radverkehr (Clevischer Ring, Luxemburger Straße, Aachener Straße in Weiden). Aus der Verwaltungsvorlage ist nicht zu entnehmen, ob und wie an diesen Stellen dauergezählt wird.
3. Der Klimaschutz als Zielsetzung ist faktisch nicht erkennbar
Die Verwaltung richtet die Dauerzählstellen mit folgender Zielrichtung ein um:
a. „den Verkehrsablauf insbesondere an hochbelasteten Hauptverkehrsstraßen zu verstetigen“
Damit meint sie aber nur den KFZ-Verkehr – denn der Rad- und Fußverkehr wird hier gar nicht erfasst.
Seit über zehn Jahren scheitert die Verwaltung daran, mit einer umweltsensitiven Ampelsteuerung die Überschreitung der Messwerte am Clevischen Ring in Köln-Mülheim zu senken. Nur durch die Teil-Sperrung der Mülheimer Brücke sind die Werte gesunken.
b. „in der Straßen- und Verkehrsplanung zur bedarfsgerechten und nachhaltigen Planung und zum Ausbau der Straßeninfrastruktur“
Auch hier ist der Rad- und Fußverkehr gar nicht erwähnt. Es geht nur um Straßenplanung für den KFZ-Verkehr.
Zudem ist der „Bedarf“ im Sinne des aktuell vorhandenen Verkehrs nicht der alles entscheidende Faktor bei der Planung. Die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung beziehen auch andere Faktoren und Ziele mit ein – siehe Ausbau des Gürtels, Querspange Porz-Zündorf, Rheinspange.
„Es ist nicht hinnehmbar, dass die Verwaltung mit ‚Verkehr‘ immer nur den aktuellen KFZ- Verkehr von heute meint. Wir müssen die Planungen endlich am Verkehr von morgen ausrichten und dabei Fuß- und Radverkehr viel stärker berücksichtigen“, so Christian Hölzel vom ADFC. „Dabei dürfen wir die Zahlen nicht nur verwalten – wir müssen sie auch zur aktiven Gestaltung nutzen! Wofür brauchen wir sonst weitere Zählstellen, wenn die Verwaltung schon angesichts des explosionsartigen Anstiegs des Radverkehrs in den letzten Wochen nicht handelt?“
„Diese Zahlen interessieren die Stadtverwaltung überhaupt nicht, wie sollen wir denn glauben, dass die Zahlen der neuen teuren Dauerzählstellen in der Verwaltung irgendwen interessieren.“, so Roland Schüler. „Jetzt hätte der Beweis erbracht werden können, das Zahlen und Fakten aus Zählstellen die Verwaltung zum Handeln bewegen.“
c. „Die Maßnahmen sollen von 2020 bis 2022 umgesetzt werden“
Nach dem Vergleich mit der Deutschen Umwelthilfe zur Luftreinhaltung ist die Stadt Köln verpflichtet, jetzt zu handeln und nicht erst ab 2022, wenn ihre Dauerzählstellen Daten liefern.
d. „Zur Weiterverwendung in Prognosemodellen für die Beurteilung städtebaulicher Entwicklungen“
„Wie können denn Prognosemodelle für eine Beurteilung städtebaulicher Entwicklung erstellt werden, wenn wesentliche umweltgerechte Verkehre – Fuß- und Radverkehr – gar nicht erfasst werden?“ So Melani Lauven vom VCD. „Dann werden wir auch in Zukunft nur sagen können, dass wir mehr Straßen für mehr KFZ-Verkehr benötigen, da dieses der einzige Verkehr bleiben wird über den wir belastbare Zahlen erheben.“
„Nahmobilität ist für eine Stadt wie Köln entscheidend, und da gehört der Fußverkehr unbedingt dazu. Bei den 3,3 Millionen Euro ist nicht 1 Cent für den Fußverkehr enthalten“, so Anne Grose von Fuß e.V.
e. „In der Verkehrstechnik zur Erstellung bedarfsgerechter Verkehrssteuerungen“
Auch hier fehlen die wichtigen Verkehrsträger Fuß und Rad. „Deshalb stehen diese an den Kölner Ampeln ständig bei Rot, weil sie gar nicht erfasst werden. Und werden auch in Zukunft an roten Ampeln stehen, während der umweltschädliche KFZ-Verkehr ´verstetigt“ fährt“, so Ute Symanski von der Radkomm.
4. Braucht es heute noch Zahlen und Prognosen?
Entscheidend ist vielmehr, welche Ziele verfolgt werden. Die aktive Reduzierung des KFZ-Verkehrs im Sinne der Ziele von Köln mobil 2025 ist politisch festgeschrieben. „Dazu braucht es keinen bedarfsgerechten Ausbau von Straßen, sondern einen bedarfsgerechten Ausbau von Fuß- und Radinfrastruktur und eine Stärkung des ÖPNVs“ so Melani Lauven vom VCD. Die Stadt Köln ist verpflichtet, die EU-Grenzwerte zur Luft einzuhalten. Dazu braucht es keine Dauerzählstellen, sondern konkrete Maßnahmen, die die Schadstoffbelastung senken. Und da der KFZ-Verkehr einer der wesentlichen Schadstofferzeuger ist, muss er reduziert werden.