Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Köln e. V.

Foto: WDR

Abbiegeunfälle mit Lkw

Eine der Hauptunfallursachen für Radfahrende sind abbiegende Kraftfahrzeuge, die ihnen die Vorfahrt nehmen. In den Pressemitteilungen der Polizei und den Medienberichten liest und hört man dann vom unvermeidbaren „Toten Winkel“.

Was hier eigentlich gemeint ist, ist der Bereich der vom Kraftfahrzeugführer nur indirekt über die Spiegel gesehen werden kann, denn seit vielen Jahren ist der in den Show-Aktionen von Polizeibehörden, Stadtverwaltungen und ADAC markierte „Tote Winkel“ durch die Spiegel ausgeleuchtet. Und dennoch bleibt die Zahl der getöteten Fußgänger und vor allem Radfahrer auf konstant hohem Niveau.

Aufklärungsarbeit

Wir haben uns intensiv mit der Frage befasst, welche Anstrengungen unternommen werden, um die Anzahl der Unfälle zu reduzieren. Dabei haben wir festgestellt, dass sich die öffentliche Kommunikation ausschließlich an Fußgänger, Radfahrende und vor allem Kinder richtet. Obwohl 80% der Unfälle zwischen Lkw und Fahrrad von den Lkw-Fahrern verursacht werden, scheint es niemanden zu geben, der das Thema bei diesen adressiert.

Unsere öffentliche Kritik hat nun immerhin dazu geführt, dass sich die Kölner Polizei bereit erklärt hat, ihre Methodik zu überdenken und erste Aktionen in der Verkehrsunfallprävention mit Fuhrparkbetreibern und Lkw-Fahrern durchzuführen. Aber auch der Umgang mit den Radfahrenden muss sich verändern. Es geht eben zumeist nicht um Radfahrer, die einen bereits abbiegenden Lkw noch rechts überholen, wie es immer wieder kolportiert wird. Wenn Radfahrende eine Verantwortung für Abbiegeunfälle haben, dann ist dies zumeist das Fahren gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung oder die Nutzung von Gehwegen. Und dabei werden die Geisterradler und Gehwegradler dann beim Abbiegen übersehen.

 

Schwierigkeiten bei der Sanktionierung

Die Bereitschaft zur Sanktionierung von Fehlverhalten ist bei der Kölner Polizei auch vorhanden, aber auf welcher Grundlage kann diese erfolgen? Ab wann ist ein Spiegel falsch eingestellt? Ein passender Tatbestand im bundeseinheitlichen Katalog muss wohl erst noch definiert werden. Und auch für die Geschwindigkeit beim Abbiegen gibt es keine Vorgabe in der weiterhin autogerecht ausgelegten Straßenverkehrsordnung. Die Polizei ist hier gefragt, Fahrer bei allgemeinen Verkehrskontrollen zumindest aufzuklären und vorsichtiges Abbiegen im Alltag regelmäßig einzufordern.

Ausbildung der Fahrer

Das richtige Einstellen der Spiegel ist in der Fahrschulausbildung nur ein Randthema. Spiegel und Abbiegevorgang werden in der alle fünf Jahre stattfindenden „Berufskraftfahrerfortbildung“ nicht behandelt. Ein großer Teil der Fahrer spricht kein Deutsch, aber die Fortbildungsveranstaltungen werden in deutscher Sprache abgehalten. Eine Überprüfung der Inhaltsvermittlung erfolgt nicht.

Ein Konzept für die Nutzung der Spiegel existiert nicht. Wichtige Hilfsmittel, wie die Unterweisungskarten und Spiegeleinstellplanen der Berufsgenossenschaft Verkehr, sind selbst den meisten Fahrlehrern und Trainern unbekannt. Die Lkw-Fahrer werden mit dem komplexen Abbiegevorgang allein gelassen und sind schlicht und ergreifend überfordert.

Und auch den Berufsgenossenschaften sind oftmals die Hände gebunden, da Präventionsangebote nicht verpflichtend sind und nur wenige große Fuhrparkbetreiber die Hilfe der Berufsgenossenschaften annehmen.

Betriebswirtschaftliche Anreize

Wir gehen davon aus, dass wir die Logistikwirtschaft nicht ohne betriebswirtschaftliche Anreize erreichen. Zum einen müssen die Kosten für den Ausfall einer Zugmaschine und eines Fahrers nach einem Unfall deutlicher kommuniziert werden. Andererseits lassen sich aber auch finanzielle Anreize zur Ausbildung des Fahrpersonals schaffen. Wir erwarten hier von den Auftraggebern den Nachweis von Fahrsicherheitstrainings zum Teil von Ausschreibungen zu machen. Und die Versicherungswirtschaft muss die Höhe von Prämien mit dem Ausbildungsstand der Betriebe verknüpfen.

Warten auf den Assistenten?

Wir fordern von den Lkw-Herstellern weiterhin den serienmäßigen Einbau von Abbiegeassistenten. Wir haben nicht die Zeit, auf eine europaweite Verpflichtung zu warten. Allerdings darf der Abbiegeassistent auch nicht als Allheilmittel angesehen werden. Assistenzsysteme sind eine wichtige Ergänzung, um den Abbiegevorgang sicherer zu machen, aber sie ersetzen weder die richtige Einstellung und Nutzung der Spiegel noch ein umsichtiges Fahrverhalten oder einen langsamen und vorsichtigen Abbiegevorgang.

Fehlertolerante Infrastruktur

Auch der vorsichtigste Fahrzeugführer, egal ob auf dem Rad, im Auto oder im Lkw, macht Fehler im Straßenverkehr. Eine gute Infrastruktur erlaubt Fehler, ohne dass es sofort zu schweren Unfällen oder gar Todesfällen kommt. Hierzu müssen die Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmer angepasst, Sichtbeziehungen konsequent verbessert sowie alle Konfliktschaltungen an den Ampeln und alle freilaufenden Rechtsabbiegespuren entfernt werden.

Im letzten Punkt sind wir einen Schritt weiter: Wir konnten die Stadtverwaltung Köln mit Hilfe der Politik kürzlich dazu bewegen, das Thema der freilaufenden Rechtsabbieger endlich anzugehen. Dabei folgte die Verwaltung dem Konzept des ADFC Köln, zunächst alle Kreuzungen zu erfassen und dann den Rückbau der 320 Kreuzungen von einem Gutachter anhand ihrer Gefährlichkeit und ihrer Relevanz für den Radverkehr zu priorisieren. Immerhin sechs Kreuzungen, darunter die Kreuzungen Aachener Straße und Subbelrather Straße mit der Inneren Kanalstraße, werden kurzfristig zurückgebaut, ohne die Ergebnisse des Gutachtens abzuwarten.

 

Notwendiger Paradigmenwechsel

Umso tiefer wir in das Thema einsteigen, desto kritischer werden wir. Es ist unfassbar, dass wir in unserem Land zwar die Höhe von Brückengeländern genau vorschreiben, aber für die Nutzung großer und gefährlicher Maschinen in den Städten kein durchgängiges Ausbildungs- und Betriebskonzept besteht. Potentielle Partner sehen sich jeweils nicht zuständig und verweisen auf andere Institutionen. Andere wollen an nicht mehr zeitgemäßen Ideen festhalten und erkennen die Probleme nicht an. Ebenso scheint es auch auf der Gesetzesebene einen deutlich erkennbaren Änderungsbedarf zu geben.

Unsere Forderungen

Da wir das Problem auf lokaler Ebene nicht lösen können, muss das Thema von einer übergreifenden Arbeitsgruppe aus Bund, Ländern und Verbänden neu konzeptioniert werden.

Das Abbiegen mit Lkw muss über ein vollumfassendes Ausbildungs- und Zertifizierungsprogramm neu gedacht werden. Dieses muss im Zeitalter des EU-Binnenmarkts selbstverständlich auch in den wichtigsten Muttersprachen der Fahrer angeboten werden. Der Gesetzgeber muss neben zusätzlichen Assistenzsystemen und übersichtlicheren Führerhäusern auch das Schritttempo beim Abbiegen verbindlich vorschreiben.

Die Berufsgenossenschaften müssen die Möglichkeit haben, Präventionsmaßnahmen von Ausbildung bis Spiegeleinstellplätzen anzuordnen. Wer die fachlichen und technischen Anforderungen nicht erfüllt, darf nicht mehr in unsere Städte fahren, sondern muss Umschlagplätze am Stadtrand nutzen.

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