Alles Kampfradler? © Andrea Piacquadio @ Pexels

Alles Kampfradler?

Auf den Spuren eines Mythos in den Daten der Unfallstatistik

Wer sich die Kommentare unter vielen Presseartikeln durchliest, muss glauben, dass Radfahrende das größte Sicherheitsproblem im Kölner Straßenverkehr darstellen. Viele zu Fuß Gehende nehmen Radfahrende als Hauptgefahr wahr. Einige Autofahrende wollen Radfahren auf der Fahrbahn vollständig untersagen und den Radverkehr gar auf Gehwege verbannen. Doch wie sieht es wirklich auf den Kölner Straßen aus?

Wer verursacht Unfälle?

Schaut man sich an, wie viele ihrer Unfälle die verschiedenen Beteiligten selbst verursachen, wird die Situation noch deutlicher. Radfahrende verursachen nicht einmal jeden dritten Unfall, an dem sie beteiligt sind. Auch Unfälle mit zu Fuß Gehenden werden nur zu 40% von diesen selbst verursacht. Die motorisierten Verkehrsteilnehmer hingegen verursachen die allermeisten ihrer Unfälle auch selbst.

Die hohe Verursacherquote des motorisierten Verkehrs liegt nicht zuletzt daran, dass die Führer*innen von motorisierten Fahrzeugen an fast allen Unfällen (94%) mit Verunglückten beteiligt sind, entweder als Unfallverursacher oder zumindest als weitere Beteiligte. Nur ein kleiner Teil der Unfälle mit Personenschaden im Kölner Straßenverkehr findet zwischen den schwächeren Verkehrsteilnehmer*innen statt.

Würde man hier auch Unfälle betrachten, bei denen ausschließlich Sachschäden entstanden sind, wäre die Situation noch weitaus dramatischer. Aufgrund der riesigen Menge an Autounfällen mit reinen Sachschäden konzentriert sich die Kölner Polizei in den letzten Jahren allerdings auf die Auswertung und Analyse von Unfällen, bei denen Menschen zumindest leicht verletzt wurden.

Die Situation der Menschen zu Fuß

Die Fußgängerinnen und Fußgänger werden häufig sprichwörtlich an den Rand gedrängt. Oft müssen sie das schmale Hochbord mit Fahrrädern teilen und fühlen sich dort bedrängt. So entsteht der Eindruck, dass Radfahrende der häufigste Unfallgegner der Menschen zu Fuß sind. Schaut man sich aber die Fakten aus der polizeilichen Unfallstatistik in der nebenstehenden Abbildung an, wird schnell klar, dass in vier von fünf Unfällen mit Fußgänger*innen motorisierte Fahrzeuge die Unfallgegner*innen sind.

Von den Unfällen zwischen Menschen zu Fuß und dem motorisierten Individualverkehr (MIV) – das sind Autos und Krafträder – werden sieben von zehn Unfällen durch den MIV verursacht. Bei Unfällen zwischen Lkw und zu Fuß Gehenden sind es sogar mehr als acht von zehn. Eine Kölsche Besonderheit ist, dass bei den Unfällen zwischen zu Fuß Gehenden und Radfahrenden die Fußgängerinnen und Fußgänger eindeutig mehr Unfälle verursachen als die Radfahrerinnen und Radfahrer, wie wie die folgende Abbildung zeigt.

Da sich die Verursacherquote zwischen den Menschen zu Fuß und auf dem Rad in den bundesweiten Zahlen umgekehrt verhält, ist davon auszugehen, dass der Unterschied an der Kölner Infrastruktur liegt.

Die Situation der Menschen auf dem Rad

Den Radfahrenden geht es sehr ähnlich. Auch sie haben 80% ihrer Unfälle mit dem motorisierten Verkehr. Anders als Fußgängerinnen und Fußgänger haben sie aber auch häufig Unfälle untereinander, bei denen mindestens eine Person verletzt wird. Dass auch zur Vermeidung von Rad-Rad-Unfällen neben einem rücksichtsvolleren Fahrverhalten – wozu insbesondere der Verzicht, Radverkehrsanlagen in Gegenrichtung zu befahren gehört – vor allem mehr Platz hilft, versteht sich von selbst.

Autofahrende verursachen fast 8 von 10 Unfällen zwischen dem Motorisierten Individualverkehr (MIV) und Radfahrenden. Das ist anteilig deutlich höher als bei den zu Fuß Gehenden. Die Verursacherquote bei Lkw-Unfällen mit Radfahrenden ist mit 84% etwas höher als bei Unfällen zwischen zu Fuß Gehenden und Lkw.

Zusätzlich zu den Unfällen zwischen zwei Verkehrsteilnehmenden geschehen im Radverkehr aber auch viele sogenannte Alleinunfälle. Solche Alleinunfälle entstehen in Köln häufig durch schlechte und schlecht gewartete Infrastruktur. Schlaglöcher, ungeräumte Radwege, Straßenbahnschienen, nicht abgesenkte Bordsteinkanten, fehlende Beleuchtung von Radverkehrsanlagen. Unzureichend abgesicherte Baustellen oder ungesichert auf Radverkehrsanlagen abgestellte Gegenstände sind nur einige Beispiele.

Was ist zu tun?

Was zu tun ist, um Unfälle zu vermeiden, hat der ADFC Köln bereits vielfach erklärt. Die Stadt Köln ist gefragt, die schwächeren Verkehrsteilnehmer von der Gefahr zu trennen und die Gefährlichkeit zu minimieren. Dies geht nicht ohne eine grundsätzlich andere Infrastruktur als bisher.

Bei Unfällen zwischen Menschen zu Fuß und auf dem Rad würden häufig schon besser erkennbare Radwege oder Einbahnstraßenfreigaben den Fußgänger*innen helfen, Unfälle zu vermeiden. Ebenso wäre eine bessere Trennung des Fuß- und Radverkehrs erforderlich. Das verhindert sowohl unangenehme Schreckmomente als auch Unfälle mit Verletzungen. Zudem brauchen die schwächeren Verkehrsteilnehmer*innen breite Gehwege und Radwege sowie eine bessere Berücksichtigung ihrer Sicherheitsbedürfnisse und ihres Verkehrsflusses in den Kreuzungen. Darüber hinaus ist es erforderlich, wesentlich mehr sichere Fußgängerüberwege zu schaffen und die Wege für Menschen zu Fuß frei von Hindernissen – vom abgestellten Fahrzeug bis zum Werbeschild – zu halten.

Soll die Anzahl Unfälle aller hier dargestellten Unfallkonstellationen und der Stress schwächerer Verkehrsteilnehmer*innen reduziert werden, benötigen wir in Köln deutlich mehr Platz für Menschen. Da der Platz in unseren Straßen durch die Häuser rechts und links unveränderbar begrenzt ist, kann der Platz nur gewonnen werden, indem die Flächen für den Autoverkehr verkleinert und die für den Fuß- und Radverkehr vergrößert werden. Eine gute Infrastruktur in Kombination mit einem richtigen Verkehrsverhalten, welches auch durch Sanktionierung eingefordert wird, ist also die Lösung.


Quelle: Verkehrsunfallstatistik der Polizei Köln 2013 – Juni 2020.
Soweit nicht anders angeben werden Verkehrsunfälle mit Verunglückten und mind. zwei Beteiligten betrachtet.

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