Kragplattensanierung: Weder Buttermarkt noch Tunnel als Umleitung untersucht
Mit Spannung haben wir die externen Studien zum Rheinufertunnel gelesen und stellen (nicht) überrascht fest: Die Nutzung des Tunnels als Umleitungsstrecke wurde von der Verwaltung zu keinem Zeitpunkt in Betracht gezogen.
Die Kölner Stadtverwaltung hat erst auf unsere förmliche Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz hin endlich für Transparenz gesorgt und die verwaltungsinternen Unterlagen zum Thema Umleitung und Tunnelöffnung offengelegt. Interessant sind dabei vor allem zwei extern erstellte Studien, die einige Überraschungen enthalten.
Machbarkeitsstudie zur Tunnelöffnung
In einer im Januar 2021 erstellten Machbarkeitsstudie durch ein externes Ingenieurbüro wurde die Machbarkeit der Öffnung des Rheinufertunnels für den Radverkehr in seiner ganzen Komplexität untersucht. Überraschenderweise wurden hier lediglich dauerhafte Führungen auf einem zu erstellenden Hochbord und auf der Fahrbahn als Protected Bike Lane untersucht.
Die im Facharbeitskreis zum Radverkehrskonzept Innenstadt diskutierte Führung als Tunnel-im-Tunnel-System mit nur geringen Steigungen ist nicht Teil der Studie. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass diese bereits in unveröffentlichten, vorherigen Studien untersucht und verworfen wurde.
Interessanterweise unterscheidet das Gutachten durchgehend zwischen “Verkehrsteilnehmern” bzw. “Tunnelnutzern” auf der einen Seite und “Radfahrern” auf der anderen. Die Anzahl der zu erwartenden Radfahrenden im künftigen Tunnel war diesem Ingenieurbüro nicht bekannt.
Untersuchung von Umleitungsvarianten
Bereits im Mai 2020 wurde von einem Ingenieurbüro für Brückenbau im Auftrag der Stadt Köln untersucht, welche Umleitungsvarianten für den Rad- und Fußverkehr während der Zeit des Abrisses und Ersatzneubaus der Kragplatte am Altstadtufer in Betracht kommen. Seitdem ruhte das Dokument zwölf Monate unveröffentlicht in den Amtsstuben, während die Politik nun unter Druck schnelle Entscheidungen treffen soll.
Das Ingenieurbüro ging für seine Untersuchung von 7.000 Radfahrenden pro Tag aus. Wie diese Zahl erhoben wurde, ist den uns vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Insbesondere ist unklar, von wann diese Zahl ist und, ob es sich um einen Durchschnitts- oder Spitzenwert handelt. Eine Verteilung auf Spitzenstunden, wie beim Autoverkehr üblich, wurde nicht vorgenommen. Daher ist mit den vorliegenden Daten die Belastung der Umleitungsstrecken zu den Spitzenstunden des Pendlerverkehrs nicht einzuschätzen. Über die Anzahl der Menschen zu Fuß sind gar keine Daten vorhanden.
Wie es sich für Brückenbauexperten gehört, hat man als Variante 1 zunächst die linksseitige Führung des Radverkehrs über die Deutzer Brücke und die Hohenzollernbrücke unter Nutzung des Bahnübergang Heumarkt und der Serpentinen unterhalb der Philharmonie (im Zweirichtungsverkehr!) untersucht. Die Strecke ist gut viermal so lang wie der direkte Weg und beinhaltet neun zusätzliche Ampelanlagen und eine kurze Schiebestrecke. Wir gehen von einem Umweg von 20-30 Minuten aus.
Die Variante 2 führt den Radverkehr im Rahmen einer fünfmal längeren Stadtrundfahrt über die Ost-West-Achse, den Neumarkt und die Komödienstraße durch den Johannistunnel zum anderen Tunnelende. Radfahrende dürften hier je nach Glück an den gut 20 zusätzlichen Ampelanlagen auf der Strecke sicherlich 40 Minuten zusätzliche Zeit pro Fahrt einplanen.
Als Variante 3 wurde ein Weg über die Heumarktkreuzung, Kleine Sandkaul, Unter Goldschmied und Große Neugasse zurück zum Rheinufer betrachtet. Der etwa dreifache Umweg gegenüber der Rheinuferstrecke wäre sicherlich touristisch nicht uninteressant -, man bekäme immerhin das Historische Rathaus und den Dom zu sehen. Für die kölschen Berufspendler ist die Strecke aber gänzlich ungeeignet. Der Weg führt über ein längeres Stück Kopfsteinpflaster und neun zusätzliche Ampelanlagen. Außerdem ist die Strecke an mehreren Stellen aktuell noch als Einbahnstraße ausgeführt. Hier wäre ein Umweg von ca. 20 Minuten zu erwarten.
Nun kämen wir eigentlich zur von der Verwaltung gewählten Variante über den Buttermarkt. Allerdings wurde diese vom Ingenieurbüro für den Radverkehr gar nicht untersucht. Stattdessen gibt es nur für den Fußverkehr Überlegungen, ob man diesen über den Buttermarkt oder die Frankenwerft führt. Für beide Optionen bezeichnet das Unternehmen die von der Verwaltung ausgewählte Strecke hinterm Maritim-Hotel als „Trampelpfad“.
Fehlende Umleitungsoptionen
Die Nutzung des Tunnels als Umleitungsstrecke wurde von der Verwaltung zu keinem Zeitpunkt in Betracht gezogen. Das obige Gutachten zur Nutzung des Rheinufertunnels durch den Radverkehr wurde erst zu einem Zeitpunkt erstellt, als die Überlegungen zur Sanierung und zu den Umleitungen schon abgeschlossen sein mussten. Und eine Trennung des Verkehrs in eine Rad-/ÖPNV-Röhre und eine Kfz-Röhre, wie wir Sie als Fallback-Lösung für die Baustellensituation vorgeschlagen haben, liegt jenseits der Vorstellungskraft der Verwaltung.
Selbstverständlich wurde auch der vom ADFC vor gut zwei Jahren ins Spiel gebrachte Hochradweg „Skyride“ entlang des Rheinufers nicht von der Verwaltung betrachtet. Ähnliche Bauwerke wurden in Kopenhagen innerhalb weniger Jahre realisiert. Allerdings hätte man für diese Sorglosvariante mit der Arbeit auch rechtzeitig beginnen müssen, um sie noch als Option für die Kragplattensanierung nutzen zu können.
Wer heute zurückrudert und gegen die im Radverkehrskonzept bereits beschlossene Tunnelöffnung argumentiert, dem bleibt eigentlich nur noch, den Hochradweg durchzusetzen. Ansonsten muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, dass Menschen zu Fuß und auf dem Rad eben aus Sicht von Verwaltung, Wirtschaft und Teilen der Politik keine vollwertigen Verkehrsteilnehmenden sind.
Entscheidungsweg
Wie die Verwaltung zu ihrer Entscheidung für die Chaosstrecke durch die Fußgängerzone Buttermarkt und die Biergärten am Fischmarkt gekommen ist, erschließt sich aus den Unterlagen leider nicht. Die Studien taugen weder als Argument für den Buttermarkt noch als Argument gegen die Öffnung des Tunnels.
Nachdem die Verwaltung von der Politik und dem ADFC Unterstützung beim Nachdenken über zusätzliche Optionen erhalten hat, wäre nun der nächste Schritt, die Bedingungen einer Tunnelöffnung als Baustellenumleitung mit der Bezirksregierung Köln zu diskutieren. Würde die Verwaltung die gleiche Energie in die Lösungsfindung stecken, wie in die Suche nach Gegenargumenten, wäre der Rheinufertunnel wahrscheinlich schon lange Teil der Radverkehrsnetzes.