Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Köln e. V.

Ein Radverkehrsnetz für ganz Köln – gelingt der große Wurf?

ADFC arbeitet am gesamtstädtischen Netzplan. Insgesamt haben die Aktiven der ADFC-Radverkehrsgruppe bis heute rund 200 Arbeitsstunden oder 25 volle Arbeitstage in die Radverkehrsnetze investiert.

In Köln gibt es kein zusammenhängendes Netz von Radwegen. Ob in Köln, durch Köln, oder um Köln herum – die Strecken, auf denen man gut Rad fahren kann, sind nur den Eingefl eischten und Eingeweihten bekannt. Oft genug sind die Radwege in schlechtem Zustand oder es gibt sie gar nicht.

Das hat auch damit zu tun, dass es bis heute kein Konzept für ein flächendeckendes Radverkehrsnetz gibt. Für die Stadtteile Lindenthal, Klettenberg und Sülz wurden im Jahr 2014 Radverkehrskonzepte beschlossen, der Bezirk Innenstadt folgte 2016. Ende 2018 wurde ein Netz für Ehrenfeld beschlossen.

Der größte Teil des Stadtgebiets besteht aus weißen Flecken, was die Netzkonzeption angeht. Auch von den vielen möglichen Strecken ins Umland wurden bisher nur eine Trasse nach Frechen (Radschnellweg 2013) sowie vier Trassen in rechtsrheinische Nachbarkommunen beschlossen (Rechtsrheinische Radpendlerrouten 2019).

Ein neuer Anlauf nach 28 Jahren

Die Lückenhaftigkeit ist umso erstaunlicher, als dass die Stadt Köln bereits im Jahr 1993 auf eigenes Betreiben hin in das Programm „Fahrradfreundliche Städte und Gemeinden NRW“ aufgenommen wurde – also vor 28 Jahren. Der Leitantrag für dieses Modellprojekt war die Grundlage für ein Maßnahmenprogramm Radverkehr, das im Januar 1996 beschlossen wurde.

Aufgrund von Vorgaben des Landes musste dies in vollständig überarbeiteter Form Mitte 1997 erneut vorgelegt werden und sollte ab dann jährlich fortgeschrieben werden.

Im Maßnahmenprogramm Radverkehr 1997 war alles angelegt, was auch heute diskutiert wird: Ein flächendeckender Radverkehrsnetzplan und ein Maßnahmenprogramm zu dessen Umsetzung für jeden Bezirk, Routen ins Umland, Fahrradabstellplätze. Selbst die als langfristig angelegten Maßnahmen sollten spätestens im Jahr 2003 angegangen werden.

Gelingt 2021 der große Wurf?

Im Jahr 2021, also 24 Jahre später, holt die Stadtverwaltung erneut zum großen Wurf aus. Nach diversen Ankündigungen und missglückten Anläufen wurden Ingenieurbüros beauftragt, die Lücken im Kölner Radverkehrsnetz zu schließen – jedenfalls auf dem Papier. Noch in diesem Jahr, so das erklärte Ziel, sollen die fehlenden bezirklichen Radverkehrsnetze beschlossen werden, ebenso wie die innerstädtischen Schnellverbindungen als Grundlage für Routen ins linksrheinische Umland.

Die Stadtverwaltung hat ihre Netz-Entwürfe im Laufe der ersten Jahreshälfte den Bezirksvertretungen vorgelegt. ADFC und VCD sind in den bezirklichen Runden Tischen zum Thema Radverkehr vertreten und wurden gebeten, Stellung zu nehmen. Größer angelegte Facharbeitskreise, an denen auch andere Akteure mitwirken oder Bürgerdialoge – wie zuletzt bei den Radverkehrskonzepten Innenstadt und Ehrenfeld – sind bisher nicht geplant.

Mit Rücksicht auf die laufenden Beratungen veröffentlichen wir an dieser Stelle keine Details zu den Entwürfen. Wir sehen es als Privileg und Aufgabe der politischen Gremien an, über eine geeignete Form der Öffentlichkeitsbeteiligung zu entscheiden.

So entstand der digitale Netzplan des ADFC Köln

Wir wollen jedoch über unsere Arbeitsmethode berichten. Die Radverkehrsgruppe des ADFC hat für die Bearbeitung der Radverkehrsnetze eine Methode erarbeitet, die in allen Bezirken identisch angewendet wurde:

Eine gesamtstädtische digitale Kartengrundlage wurde erstellt. Dies war notwendig, weil die Entwürfe der bezirklichen Netze uns nur einzeln und zum Teil in schlecht lesbarer Form übermittelt wurden. Für die Planung der bezirksübergreifenden Verbindungen ist jedoch ein Gesamtplan notwendig.

Diese Karte haben wir überlagert bzw. mit weiteren Informationen angereichert:

  • NRW-Velorouten und anderen touristische Routen
  • Mögliche Trassen für die linksrheinischen Schnellverbindungen
  • Städtisches LKW-Vorzugsnetz
  • Netz-Entwürfe der Verwaltung

Um unsere Vorschläge zu erarbeiten, haben wir zusätzlich Daten von der Aktion „Stadtradeln“ herangezogen. Grundlage dabei ist das BMVI-geförderte Projekt MOVEBIS der TU Dresden, welches die durch die Stadtradeln-App in den Jahren 2018 bis 2020 erfassten Strecken in anonymisierter Form zur Verfügung stellt. Diese Daten wurden durch einen Aktiven des ADFC aufbereitet und auf unsere Kartengrundlage projiziert*. So wird sichtbar, welche Strecken im Kölner Stadtgebiet befahren oder gemieden werden – eine gute Unterstützung für unsere Arbeit, die durchaus Überraschungen auch für die ortskundigen Aktiven des ADFC bereithielt.

Enormes ehrenamtliches Engagement

Insgesamt haben die Aktiven der ADFC-Radverkehrsgruppe bis heute rund 200 Arbeitsstunden oder 25 volle Arbeitstage in die Radverkehrsnetze investiert. Dabei ist die Zeit für die Beratung mit anderen Verbänden und Gruppen, Verwaltung und Politik nicht mitgerechnet. Der ADFC Köln geht damit über die Grenzen dessen hinaus, was unserer Auffassung nach ehrenamtliches Engagement für die Radverkehrsförderung umfasst. Wir tun dies, weil wir wollen, dass es endlich ein vollständiges Radverkehrsnetz in Köln gibt, und weil wir keine andere Möglichkeit sehen, die Lücken in den Entwürfen schnell zu schließen.

Erwartungen des ADFC an die Politik

Unsere Erwartungen an Verwaltung und Politik sind auch deshalb hoch. Wir wünschen uns: Eine offene und wertschätzende Diskussion über unsere Vorschläge und eine transparente Entscheidungsfindung zu strittigen Punkten. Die Vorschläge der Verbände repräsentieren keine Lobby-Interessen, sie sind vielmehr notwendige Bausteine für ein schlüssiges und zukunftsfähiges stadtweites Radverkehrsnetz.

Die Politik sollte durch entsprechende Beschlüsse deutlich machen, dass eine Beschleunigung des Verfahrens nicht auf Kosten von Qualität und Partizipation gehen darf. Der Verzicht auf die Beteiligung von Bürger*innen ist nicht zielführend. Moderierte Facharbeitskreise mögen für die Verwaltung aufwändig sein – wenn sie jedoch fehlen, müssen die Ehrenamtlichen diese Lücke schließen. Das kann es nicht sein. Die Bezirksvertretungen sind gut beraten, die nun entstehenden Radverkehrsnetze auch der Öffentlichkeit vorzustellen, bevor sie beschlossen werden.

Mindestens für die Hauptachsen in den Bezirken muss diskutiert werden, wie die Radinfrastruktur konkret aussehen soll. Dabei geht es um die Frage, wie sichere und vom Autoverkehr separierte Radwege angelegt werden können, und unter welchen Bedingungen das Radfahren im Mischverkehr akzeptiert werden kann. Auch die Ausbaustandards für Fahrradstraßen müssen politisch festgelegt werden. Gesetze und Richtlinien geben lediglich einen Rahmen vor.

Beschlüsse nicht aufschieben, Ressourcen bereitstellen

Die weiteren Schritte hin zur Vervollständigung und Umsetzung der Radverkehrsnetze müssen jetzt beschlossen werden, und die notwendigen Ressourcen müssen bereitgestellt oder zumindest beantragt werden. Bisher hat die Verwaltung keinerlei Perspektive dafür aufgezeigt, wie sie die vielen Kilometer Radverkehrsinfrastruktur, die nun beschlossen werden sollen, im Detail planen und umsetzen will. Bei den vorherigen Radverkehrskonzepten mussten mehreren Hundert Einzelmaßnahmen mit Unterstützung durch Ingenieurbüros erarbeitet werden. Das ist Stand heute für andere Bezirke nicht geplant. Ohne zusätzliche Ressourcen ist das alles aber nicht in endlicher Zeit zu leisten.

An den Radverkehrsnetzen haben viele Mitglieder der ADFC-Radverkehrsgruppe mitgearbeitet:

Benedikt Polaczek, Brigitte Reimers, Christian Hölzel, Christoph Schmidt, Gerd Riesselmann, Henk van Liempt, Horst Kraus, Jan-Philipp Schmitt, Jörn Zaefferer, Julia Wiegand, Marc Hetzert, Martin Laumert, Nicola Behling, Peter Ullrich, Raimund Bartella, Rainer Evertz, Simon Lüthje, Tom Lappe, Ute Kaufmann, Volker Bourtscheidt, Wienke Bellmann und Wolfgang Scheible.

* In anderen Städten wurde das Potenzial von Crowdsourcing- Ansätzen für digital aufgezeichnete Strecken für die Verkehrsplanung erkannt, siehe Münster. In Köln endete eine Kooperation mit dem App-Anbieter Bike Citizens im Rahmen eines EU-geförderten Forschungsprojekts im Jahr 2018 dagegen sang- und klanglos.

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