Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Köln e. V.

Kommentar zum ersten Rad-Aktionstag 2015 der Kölner Polizei

Als Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Köln e.V. nehmen wir Stellung zum Rad-Aktionstag der Kölner Polizei und des Ordnungsamts der Stadt Köln.

Autoverkehr verursacht 70% der Verkehrsunfälle in Köln

Der Volksmund sagt: Glaube nur einer Statistik, die Du selbst gefälscht hast. So oder so ähnlich sieht es wohl auch mit zahlreichen scheinbar transparenten Auswertungen von Verkehrsunfällen aus. Durch geschicktes Setzen von Filtern für die hübschen blau-bunten Diagramme erweckt die Kölner Polizei den sehr tendenziösen Eindruck, dass Radfahrer und Autofahrer in gleichen Teilen für Unfälle verantwortlich seien. Was sie jedoch geschickt in den Zahlenwerken zu verstecken versucht ist, dass der motorisierte Individualverkehr in bis zu 70% der Unfälle mit Verunglückten der Unfallverursacher war. In lediglich 17% der Unfälle war in 2014 ein Radfahrer der Verursacher.

Ursachen für Unfälle mit Radfahrern

Schaut man sich die Ursachen für Radfahrunfälle genauer an, stellt man fest, dass eine Hauptunfallursache die „Benutzung von anderen Fahrbahnteilen“ ist. Radfahrer fahren also über Wege, die sie eigentlich nicht benutzen dürfen. Radfahrer fahren also zum Beispiel auf dem Gehweg, in falscher Fahrtrichtung auf dem Radweg oder benutzen einen benutzungspflichtigen Radweg nicht. Die Nutzung von Gehwegen durch Radfahrer und das sogenannte Geisterradeln verurteilt auch der ADFC. Für die Nichtnutzung der maroden und zugeparkten Radweginfrastruktur Kölns haben wir jedoch großes Verständnis. Allerdings stellen wir uns auch die Frage, warum sich Radfahrer hier so verhalten.

Fehlende Abstandskontrolle durch die Polizei

In einer Stadt, in der sich die überwiegende Anzahl der Autofahrer nicht an die vorgeschriebenen anderthalb Meter Mindestabstand beim Überholen hält, darf es nicht verwundern, wenn Radfahrer sich vielfach nicht mehr trauen, auf der Straße zu fahren. Leider werden die hier durch den Kfz-Verkehr begangenen Nötigungen von der Kölner Polizei weder kontrolliert noch verfolgt. Bringt ein Radfahrer diese zur Anzeige, heißt nur lapidar „Ihnen ist doch nichts passiert.“ – Dass hier eine Straftat nach §240 StGB begangen wurde, wird geflissentlich ignoriert. Wir würden uns hier als ADFC wünschen, dass die Polizei durch Kontrolldruck aber auch durch eine gezielte Informationskampagne die gefühlte Sicherheit des Radverkehrs auf der Straße erhöhen würde. Die Daumenregel „nur wenn ich die Spur vollständig wechsele, kann ich sicher sein, den Mindestabstand einzuhalten“ ließe sich sehr einfach kommunizieren. Dies hat nichts mit einem Wohlfühlklima zu tun, sondern würde mittelfristig das Ausweichen auf den Gehweg und damit auch die Gefährdung von Fußgängern und Radfahrern selbst deutlich reduzieren.

Radfahrern wird häufig die Vorfahrt genommen

Ein Hauptgrund für Unfälle mit Kraftfahrzeugen ist das Nichtgewähren der Vorfahrt durch den Kfz-Führer. Dieses Thema könnte ebenfalls gezielt von der Polizei angegangen werden. Statt jedoch gezielte Schulterblickkontrollen vorzunehmen, konzentriert man sich vielmehr auf lukrative Repressionen gegen den Radverkehr. Statt an Unfallschwerpunkten zu kontrollieren sucht man sich bewusst missverständliche Stellen, wie z.B. die Kreuzung Maybachstraße/Krefelder Straße, für tägliche Maßnahmen durch die Fahrradstaffel aus. Wir fragen uns, warum die Polizei hier nicht ihrer gesetzlichen Aufgabe nachkommt, durch Einwirken auf die Stadtverwaltung, eine solche Stelle zu beseitigen. Die Haushaltslage des Landes kann und darf hierfür nicht der Grund sein.

Mitverantwortung der Behörden durch schlechte Infrastruktur

Viele gefährliche Stellen sind seit langem bekannt. Laut Aussage des Fahrradbeauftragten der Stadt Köln auf der Bürgerversammlung zum Radverkehrskonzept Innenstadt entspricht lediglich ein einziger Radweg in ganz Köln den Baurichtlinien und gesetzlichen Vorgaben. Im restlichen Stadtgebiet gibt es nur handtuchbreite Stolperwege, die beispielsweise an den Kölner Ringen durch die dortige Gastronomie führen. Unfälle mit Fußgängern und unter Radfahrern sind hier vorprogrammiert. Aber ebenso kommt es eben erst durch diesen Zustand zu den oft tödlichen Rechtsabbiegeunfällen. Statt diesen rechtswidrigen Zustand zu verändern, liest man dann wieder in den Pressemitteilungen von einem „übersehenem“ Radfahrer – welch ein Euphemismus. Durch die in diesem Jahr neu aufgestellten Werbetafeln wurden die Sichtbeziehungen an vielen Kreuzungen sogar noch deutlich verschlechtert.

Aufhebung der Radwegbenutzungspflichten

Aufgrund der Situation der gefährlichen Radweginfrastruktur ist es nicht verwunderlich, wenn viele Radfahrer – auch zu ihrer eigenen Sicherheit – die Straße benutzen. An vielen Stellen ist dies ja auch bei vorhandenem Radweg durchaus erlaubt, an anderen Stellen ist die Benutzungspflicht dringend aufzuheben. Über die Aufhebung der Benutzungspflicht müssen die Verkehrsteilnehmer informiert werden, da selbst die Polizei Köln schon häufig mit einer sehr eigenwilligen Interpretation der Rechtslage aufgefallen ist. Es ist an der Zeit, auf Straßen mit zwei Spuren je Fahrtrichtung der Empfehlung der von der Stadt Köln mitgegründeten Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte in NRW zu folgen und jeweils eine ganze Spur dem Radverkehr zuzuweisen und den gewonnenen Platz auf dem Bürgersteig den Fußgängern zuzuschlagen.

Verfolgung von Falschparkern

Parken auf Rad- und Gehwegen wird in Deutschland immer noch als Kavaliersdelikt angesehen. Deutschland ist hier europaweites Schlusslicht mit Bußgeldern, die 75% unter dem EU-Durchschnitt liegen. Die Störung des fließenden Radverkehrs durch Parksünder sollte daher zumindest konsequent durch das Ordnungsamt aber auch die Polizei verfolgt werden. Dies beginnt in der Kontrolle und Ausweisung von Haltezonen für den Lieferverkehr, damit dieser nicht in die zweite Reihe oder auf den Rad- und Gehweg ausweichen muss. Auch dies würde erheblich zur gefühlten und zur realen Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer beitragen. Leider wird dieses Thema in Köln nur an den beiden Radaktionstagen pro Jahr angegangen.

Erziehung zum Rotlichtvergehen

Eine weitere Hauptunfallursache von Radfahrern sind Vorfahrtmissachtungen mit und ohne Rotlicht. Unfälle mit Verunglückten aufgrund roter Ampeln werden hierbei in Köln entgegen der vorherrschenden Meinung in mehr als drei von vier Fällen durch Autofahrer verursacht. Allerdings halten sich auch zahlreiche Radfahrende nicht immer an die Signalanlagen. Auch wenn der Radfahrer im Gegensatz zum PKW hier in der Regel nur sich selbst gefährdet, sollte man die Ursachen für die fehlende Regelakzeptanz hinterfragen. Viele Kontaktschleifen in Köln reagieren nur auf den Autoverkehr. Der Radfahrende bekommt niemals Grün. Selbst in einer der beiden Fahrradstraßen (sic!) in der Nähe einer Schule ist dies so. Hier erzieht die Stadt schon den Nachwuchs dazu, dass der pragmatische Radfahrer ggf. auch mal bei Rot fahren muss.

Gängelung von Fußgängern und Radfahrenden

An vielen anderen Stellen werden Fußgänger und Radfahrer gegängelt, beim Überqueren einer Straße bis zu drei alternierende rote Ampeln zu beachten. Zwischen den beiden Rotphasen haben die schwachen Verkehrsteilnehmer auf viel zu schmalen Verkehrsinseln zu warten. Eltern können sich hier beispielsweise auf der Rheinuferstraße entscheiden, ob sich ihr Fahrrad oder der Kinderanhänger dem Autoverkehr in den Weg stellen soll. Es kann nicht sein, dass man hier zwischen StVO und realer Sicherheit abwägen muss. Wir hoffen, dass Situationen wie diese vor dem nächsten schwer verletzten oder getöteten Radfahrer von der Stadtverwaltung beseitigt werden. Auf der Rekordkreuzung für Radfahrer in Köln soll man übrigens sieben unabhängig geschaltete Ampelanlagen auf hundert Metern vorfinden. Im Autoverkehr wäre so etwas undenkbar. Wir brauchen in Köln endlich auf den Rad- und Fußverkehr abgestimmte Signalanlagen für besseren Verkehrsfluss und eine erhöhte Regelakzeptanz.

Fehlende Investitionen in die Infrastruktur

Der Nationale Radverkehrsplan sieht für die Investitionen in den Kommunen einen Mittelbedarf von 8 bis 19 Euro pro Einwohner und Jahr vor. Als Stadt, die über Jahrzehnte den Trend zum Radfahren verschlafen hat, sollte man meinen, Köln würde sich an den für Vorreiter im Bereich Radverkehr empfohlenen 19 Euro orientieren. Die Realität liegt jedoch weit davon entfernt. Nicht einmal 2 Euro werden jährlich pro Einwohner in den Radverkehr investiert. Man verfehlt damit sogar den Mindestwert um 75%. Die Stadt sollte unter anderem mit dem kommenden Radverkehrskonzept für die Innenstadt und Deutz zeigen, dass sie es ernst meint mit dem Fahrrad als Verkehrsmittel. Der in den letzten Jahren um 25% gestiegene Anteil des Radverkehrs unterstreicht die Wichtigkeit unseres Anliegens. Wir werden diesen Prozess weiter konstruktiv im Sinne unserer 3.000 Mitglieder und aller Kölner Radfahrerinnen und Radfahrer begleiten.

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