Planungsbeschluss für die Umgestaltung der Neusser Straße
Stellungnahme des ADFC Köln zum Beschluss des Verkehrsausschusses zum Planungsbeschluss für die Umgestaltung der Neusser Straße vom 07.03.2023.
Seit 2016 diskutieren Verwaltung, Politik, Verbände und Öffentlichkeit über konkrete Vorplanungen für die Umgestaltung der Neusser Straße in Nippes. In den Jahren 2017, 2019 und 2021 gab es Öffentlichkeitsbeteiligungen in verschiedenen Formaten. Zuletzt berieten der Verkehrsausschuss im Januar und die Bezirksvertretung Nippes am 2. Februar 2023. Nach all den Jahren und vielen Beratungen legte das Ratsbündnis aus Grünen, CDU, Volt unterstützt durch die SPD nun noch einmal Hand an den Beschluss. Sechs Änderungen wurden in einer Tischvorlage am Tag der entscheidenden Sitzung des Verkehrsausschusses eingebracht und ohne Rücksprache mit der Bezirksvertretung Nippes beschlossen.
Schon das Verfahren ist fragwürdig: Was kann so dringlich sein, dass es noch am Tag der Sitzung ohne weitere Beratung vorgelegt und beschlossen werden musste? Warum konnten diese vermeintlich so wichtigen Punkte nicht schon im Prozess vorher angesprochen und ausdiskutiert werden?
In Bezug auf den Radverkehr gibt es zwei Änderungen: Im Kernbereich zwischen Blücherstraße und Nelkenstraße soll die Fahrbahn 7 statt 6 Meter breit sein. Und: "Es sollen zusätzliche Protektionen für den Radverkehr mit Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Busverkehrs geprüft werden.” In der Begründung argumentieren die Antragsteller, dass eine Fahrbahnbreite von sechs Metern den Busverkehr “entscheidend verlangsamen würde, da dieser dann öfter hinter Radfahrern fahren muss.” Das würde die Akzeptanz des ÖPNV gefährden, weil die Reisezeit des Busses “unberechenbar” werde. Die Antragsteller möchten erreichen, dass Busse die Radfahrenden überholen können, unter Beachtung eines „Sicherheitsabstandes von 1,50m“ (sic!).
Wir kritisieren den Beschluss aus folgenden Gründen:
- Die Verwaltung hat dafür geworben, einen Mischverkehr bei vergleichsweise geringen Fahrbahnbreiten für die gesamte Strecke einzurichten, mindestens aber für den Kernbereich (u.a. zur Entschleunigung des KFZ-Verkehrs, für die Verkehrssicherheit der weniger geschützten Verkehrsarten, und wegen der leichteren Überquerung durch den Fußverkehr). Die BV Nippes hat das so beschlossen. Der Verkehrsausschuss kippt diesen Konsens, ausgerechnet und ausschließlich im Kernbereich der Straße, wo es den meisten Fußverkehr gibt. Es steht so nicht im Änderungsantrag, aber der Verkehrsausschuss entscheidet gegen den Mischverkehr – nichts anderes ist gemeint, wenn die Fahrbahn breiter sein und der Radverkehr überholt werden soll.
- Dass Busse den Radverkehr mit einem Sicherheitsabstand von 1,50m überholen dürfen, ist nicht richtig! Für LKW und Busse gilt generell ein Seitenabstand von 2,00m. Egal, ob die Fahrbahn nun 6 oder 7 Meter breit sein wird: KFZ aller Art können Radfahrende legal nur dann überholen, wenn es keinen Gegenverkehr gibt – nur durch den Schwenk in die Gegenfahrbahn ist der notwendige Abstand gegeben. Mit einer breiteren Fahrbahn steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch bei Gegenverkehr mit nicht ausreichendem Abstand überholt wird. Zudem: Natürlich darf generell nur so überholt werden, dass andere nicht geschädigt, gefährdet oder behindert werden (§1 StVO). Die Neusser Straße soll im Kernbereich als Geschäftsstraße umgestaltet werden. Menschen sollen die Straße zu Fuß leichter queren können. Es wird quirliger und lebendiger werden auf der Neusser Straße, und das ist gut so. Jeder Überholvorgang birgt die Gefahr, dass Menschen zu Schaden kommen.
- Neu ist die Vorgabe, dass vor Beginn der Baumaßnahme “mindestens 30% der wegfallenden Parkplätze” durch Maßnahmen oder Planungsbeschlüsse “im direkten Umfeld” kompensiert werden müssen. Wenn damit KFZ-Parkplätze gemeint sind, bedeutet das: Der dringend benötigte verkehrsberuhigende Effekt durch den Entfall von Parkplätzen entlang der Neusser Straße und in den Seitenstraßen wird geringer ausfallen, weil der Parkplatzsuchverkehr nicht wirksam genug reduziert wird. Zudem kann mit einer Umsetzung in diesem Jahrzehnt nicht mehr gerechnet werden, denn es sind keine Veedels- oder Quartiersgaragen in Sicht.
Man weiß nicht, wo man anfangen soll, Ansinnen, Inhalt und Zustandekommens dieses Beschlusses zu hinterfragen. Auch die Forderung nach Fußgängerüberwegen im Kernbereich zeigt, dass die Antragsteller die Mischverkehr-Variante verhindern wollten. Die Tatsache, dass dies in letzter Minute und nicht expressis verbis getan wurde, lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder war es denjenigen, die dafür gestimmt haben, nicht klar – was wiederum Zweifel an Expertise oder Aufmerksamkeit weckt; oder es ist ganz bewusst verklausuliert und im Eilverfahren getan worden, um sich einer transparenten Diskussion zu entziehen.
Wir sehen nun drei Aufträge:
- Die Umgestaltung darf durch den Beschluss nicht weiter verzögert werden. Es bedarf einer entsprechenden Klarstellung durch Bezirksvertretung und den Verkehrsausschuss.
- Die Verwaltung muss dafür sorgen, dass bei der Umgestaltung der Neusser Straße die geltenden Vorschriften eingehalten werden. Es darf nicht sein, dass ein Beschluss zur Umsetzung kommt, der gesetzeswidrige Überholvorgänge nicht nur als Nebenwirkung mit sich bringt, sondern diese offensichtlich zum Ziel hat.
- Das Ratsbündnis muss sich in zweifacher Hinsicht erklären: Ist dieser Beschluss bewusst herbeigeführt worden, als Ergebnis einer Verhandlung zwischen den Bündnispartnern -- oder ist er ein Unfall, geschuldet der hohen Taktung und Arbeitslast des Verkehrsausschusses? Und: Wie hält das Bündnis es mit dem Verhältnis von Rat und Bezirksvertretungen, die sich über Jahre hinweg bemühen, einen sach-/ortskundigen und von einer breiten Öffentlichkeit getragenen Vorschlag auf den Weg zu bringen?